Von Catherine
Laut Klappentext erzählt “was uns betrifft” von Laura Vogt “von der Generation der heute Dreissigjährigen und ihrer Suche nach Autonomie und Gemeinschaft, sowie nach einem heilsamen Umgang mit dem schwierigen Erbe abwesender Väter.”
In erster Linie geht es um Rahel. Sie erwartet ein Baby und sucht einen Mann, damit sie eine Familie haben kann, wie sie sich selbst als Kind immer eine gewünscht hat. Denn ihr Vater ist irgendwann verschwunden; Rahels Mutter Verena hat Rahel und ihre Schwester Fenna gemeinsam mit ihrer Partnerin großgezogen. Als Rahel einen Mann findet, heiratet sie ihn, zieht aufs Land und bekommt sehr schnell noch ein Kind. Dann beginnen die Probleme. Das zweite Kind ist ein Mädchen und irgendwie hakt es in der Beziehung zwischen dem Kind und Rahel. Es ist nicht klar, ob Rahel eine postpartale Depression hat oder schlicht das Schicksal fürchtet, dass Frauen Rahels Meinung nach erwartet. Irgendwie mag sie das Kind einfach nicht so gerne. Natürlich entstehen durch die Ablehnung des leiblichen Kindes von Rahels Mann auch Probleme in der Beziehung der beiden Erwachsenen und kurz ist alles doof und Rahel will weg. Sie merkt schnell, dass ihr das alte Leben ohne Kinder in der Stadt mit Tanz und Schnaps nicht mehr passt; aber das neue ist halt auch so eng. Glücklicherweise verbringt Rahels Mann ein Wochenende mit den Kindern irgendwo, so dass Verena, die mittlerweile an Krebs erkrankt ist und damit irgendwie freundlicher geworden ist, und Fenna, die nun auch ein Kind erwartet, Rahel zu einem großen Problembesprechungswochenende besuchen können. Hier wird geredet und geweint, das Wort “Fotze” wird reclaimed und ein Lobgesang auf hormonelle Selbstbestimmung und intuitives Frausein (?) wird gesungen und alte Wunden können heilen. Am Ende kommen fast alle glimpflich davon.
Natürlich spricht “was uns betrifft” Probleme und Schwierigkeiten von Elternschaft und Kindsein an: Klar verhandelt eins sich neu, wenn Kinder da sind und aller allermeistens bleiben Teile von der Identität aus der Zeit vor den Kindern zurück; das ist nicht immer leicht. Klar ist es gut, sich darüber Gedanken zu machen, wie super es ist, hormonell zu verhüten, den Körper vor allem als etwas zu begreifen, das irgenwie gemanagt und verwaltet werden muss. Klar fehlt manchen Leuten der Vater. Ganz bestimmt ist es wichtig, über diese Themenfelder zu reden, aber warum ausgerechnet aus der Perspektive einer weißen, non-disabled cis Frau, die in einem der reichsten Länder der Welt wohnt und in keinster Weise jemals von finanziellen Nöten bedroht und die sich ihrer Privilegien keine Sekunde lang bewusst ist? Und warum trotz dieser privilegierten Figur einen solchen Universalitätsanspruch an einen Roman stellen? Das führt dazu, dass die Figuren blasse (in allen Sinnen des Wortes) Protagonistinnen bleiben, an denen Probleme diskursiv abgehandelt werden. Das Treffen der drei Frauen ist ein mäßig schlauer dramaturgischer Trick, gegensätzliche Positionen zu erörtern und am Ende irgendwie in Wohlgefallen aufzulösen. Niemand geht einem hier Nahe, keine Personalie hat eine Persönlichkeit und am Ende ist der Leserin recht egal, was passiert. “Was uns betrifft” hätte vielleicht ein berührender Roman über eine Frau werden können, die sich (erfolgreich?) an den Traumata ihrer Familie abarbeitet und sie überwindet. Oder eine Beschreibung einer postnatalen Depression. Oder ein Roman über Geschwister. Oder über lesbische Mütter und ihre Kinder. Ist es aber nicht geworden. Nur Oberflächliches bleibt, leider.
Laura Vogt: “Was uns Betrifft”. Verlag Zytglogge 2020.
Ein Rezensionexemplar wurde uns vom Verlag zur Verfügung gestellt.
Foto: Rechte am Titelbild beim Verlag Zytglogge