Wir haben euch gefragt, wie es euch während des Lockdowns – wir befinden uns je nach Wohnort teilweise bereits in der fünften Woche – geht, und haben ganz viele Antworten erhalten. Keine ist wie die andere, alle sind lesenswert. Herzlichen Dank dafür!
Der umstandslos-Corona-Fragebogen lautete:
1. Wie ist deine Situation gerade? (Teil 1)
2. Wie verbringst du deine Tage? (Teil 1)
3. Teilst du die Familienarbeit mit anderen Großen? (Teil 1)
4. Was ist gut gerade? Was bringt Freude? (Teil 2)
5. Was ist schwierig gerade? (Teil 2)
Gestern haben wir die Antworten auf die ersten drei Fragen unseres Mini-Fragebogens veröffentlicht. Die Antworten findet ihr hier: Wie geht Elternsein in diesen Tagen (Teil 1). Heute könnt ihr nachlesen, was anderen während der Corona-Pandemie Freude macht und was gerade schwierig ist.
4. Was ist gut gerade? Was bringt Freude?
„Es ist schön, dass es keine Veranstaltungen oder Partys gibt, die ich sowieso immer verpasse, weil das Kind noch nicht schläft oder niemand da ist zum Aufpassen. Ich habe weniger Fear of Missing Out 🙂 Viel Zeit mit den Kindern verbringen ohne Terminstress ist auch sehr schön. Ich habe das Gefühl, im Alltag entsteht sonst viel Stress dadurch, dass alles sehr eng getaktet ist.“
„Neben der Familie, an der ich echt viel Freude habe und aus der ich Kraft ziehe, ist es vor allem das Ausschlafen. Es tut allen gut, endlich so aufstehen und schlafen gehen zu können, wie wir das angenehm finden – das aber ohne Ferien, sondern mit Arbeit und Lernen.”
„Gut ist der Tagesrhythmus, der meinem Bedürfnis viel mehr entgegenkommt als das frühe Aufstehen für die Schule. Gut ist auch die Zeit, die ich entspannt mit den Kindern verbringen kann und dass sich die Kinder gut verstehen. Ich bin auch froh zu wissen, dass meine Mutter (75, Asthma, Diabetes, Bluthochdruck) mit der Situation gut klarkommt (Haus mit Garten, gute Versorgung, nicht einsam).”
„Ich bin sehr froh über unseren Garten! Die Sonne hat gut getan. Das Säen und Pflanzen. So richtig für Freude bin ich zu k.o.“
„Kind, Partner, Essen, Zocken.”
„Halbwegs finanzielle Stabilität ist gut. Bin allerdings Freelancer und bekomme einen Auftrag nach dem anderen storniert. Mal sehen, wohin das führt. Unsere kleine Family macht Freude, die muss aber auch verteidigt werden gegen all die schlechten Vibes.”
„Engerer virtueller Kontakt zu Freund*innen. Telefonkonferenzen, in denen alle ihre Kinder auf dem Schoß haben.”
„Gut ist gerade, dass man ausschlafen kann. Das ist ganz viel wert, finde ich. Sich keinen Wecker stellen zu müssen, ist himmlisch! Gut ist auch, dass man über verschiedene technische Möglichkeiten mit den Liebsten in Verbindung bleiben kann. Ich mag meine Kolleginnen-WhatsApp-Gruppe zum Beispiel. Darüber haben wir schon viele nette Dinge organisiert, z.B. Feriengrüße, die wir auf unsere Homepage gestellt haben.”
„Zeit mit dem Kind. Alltag ist deutlich entstresst durch weniger Verpflichtungen. Haushalt/Kochen/Backen ist nicht mehr nur nervig, sondern tatsächlich auch entspannend und kreativ. Reduzierte Möglichkeiten für Konsum verringern auch den Druck, sich ständig um einzelne Dinge oder Einkäufe kümmern zu müssen – und trotzdem ist alles da, was wir brauchen.”
„Beinahe alles, ich genieße es, keine Termine zu haben, keine sozialen Verpflichtungen, ohne schlechtes Gewissen einfach nur mit dem Kindern ,rumpruseln’ zu können.”
„Man hat mehr Zeit zusammen als Familie, Dinge, die oft liegen bleiben, können gemacht werden … Man lernt sich neu aus einer andere Perspektive kennen. Freude bringt mir tatsächlich, wenn ich Mittagsschlaf machen kann, aber auch wenn ich sehen kann, wie mein Kind Erfolge sammelt, die es sonst in der Kita gemacht hätte.”
„Beide Jungs ,schuben’ und entwickeln sich, der Kleine wird aus eigenem Antrieb sauber, lernt Rad fahren. Sie spielen sehr schön zusammen und verschmelzen zu einer Einheit. Schön ist, wenn der Mann freie Zeit hat und wir mit dem Auto an menschenleere Plätze fahren können, wo der Kleine laufen laufen laufen kann.”
„Gut ist, dass wir viel mehr Familienzeit haben. Unser Kind blüht richtig auf, weil es viel mehr Abwechslung und mehr von seinem Vater hat. Gut ist auch, dass ich das Baby mal abgeben kann, wenn ich kurz einen Moment für mich brauche. Gut ist, dass wir die Situation gemeinsam lösen und uns gegenseitig den Rücken freihalten. Wir kochen jetzt ausschließlich frisch und essen zu ganz geregelten Zeiten und das tut uns allen sehr gut. Allgemein konsumieren wir viel weniger Blödsinn und geben gerade auch auffallend weniger Geld aus.”
„Fahrrad fahren. Gestern haben wir eine 52-km-Tour gemacht. Das war großartig. Irgendwie normal. ,Star Trek’ hilft auch. Und es gibt einen Podcast, der eine sehr rege Community hat, in dem geht es auch um ,Star Trek’. Und da wird auch über alles, außer über Corona geredet. Außerdem haben wir Chef*innen, die nicht fragen, wie viel wir arbeiten und die keinerlei Druck aufbauen und uns schon eine Woche vor Kita-Schließung verpflichtend ins Homeoffice geschickt haben. Das beruhigt sehr. Und ich hab tatsächlich schon viel mit dem Kind gemacht, also gebastelt und so. Eine Rakete für ein befreundetes Kind, das Geburtstag hatte, zum Beispiel.“
„Zeit mit Baby/Zeit zu dritt, schönes Wetter, Garten, Skypen mit Eltern, selbstbestimmteres Arbeiten.“
„Dass ich Zeit habe, endlich die Bücher zu lesen, die hier seit langem im Regal stehen. Gerade verschlinge ich ,Sisters in Arms’ von Katharina Karcher. Außerdem mag ich, Zeit zu haben, mit meinem Partner schon mal ziemlich genau besprechen zu können, wie wir uns unser kommendes Familienleben in dem nächsten Jahr vorstellen. Neben der Aufteilung der Arbeiten träumen wir auch viel und sitzen im Park vor der Tür und merken, dass die Umstellung, ein Kind zu kriegen, wahrscheinlich weniger drastisch werden wird, als mit Corona – keine Festivals müssen abgesagt werden, draußen mit anderen sitzen oder zu Konzerten/Veranstaltungen gehen, geht ohnehin nicht, die Politplena sind gerade online, sodass wir weiter teilnehmen können. Dadurch, dass viele gerade gar nicht/weniger oder von zu Hause aus lohnarbeiten, haben Menschen auch spontaner für mich Zeit und sagen ja, zu meiner Anfrage nach Support im Wochenbett. Mein Eindruck, dass ich durch die Schwangerschaft schon aus vielen Kreisen ausgeschlossen wurde, hat sich relativiert. Ich muss mir keine Sorgen mehr über Rauchfreiheit machen und habe keinen Stress mehr, eine möglichst coole und entspannte Schwangere zu sein, die natürlich noch ,die Alte’ ist und weiter mit feiern geht.”
„Wenn wir alle gesund bleiben. Die PolitikerInnen gut und menschlich reagieren und handeln. Wenn wir abgesichert sind durch einen fürsorglichen Staat.“
„Gut: Einiges wird von selber besser, was vorher ,Arbeit’ war: Kind geht aufs Klo statt Windeln, spricht ein bisschen besser. Da mein Partner und ich mit vielen Menschen arbeiten im ,normalen’ Berufsleben, ist es auch entspannend, dies mal nur online machen zu können und bringt teilweise mehr Energie in die Familie(-narbeit).
Ich krieg mehr von meinem Kind mit – schätze und zelebriere simple Dinge – Blumen pflücken, selbst gebackenes Brot verspeisen, alleine malen; mit dem Kind malen, die Straße anmalen, die Fenster anmalen …
Gut ist auch, dass ich (und meine Familie) in den letzten Jahren vom Schicksal schon so gebeutelt worden bin (sind), dass ich (wir) echt krisenfest bin (sind); und dies auch in dieser Krise merken. Ein seltsamer Vorteil daraus ist auch, dass ich den Eindruck habe, endlich einmal etwas teilen zu können, da wir ja alle im gleichen Boot sitzen gerade (was ja so auch nicht stimmt, da die Corona-Krise jeden ganz anders betrifft); und in den letzten Jahren habe ich mich wie ein Alien gefühlt, das in jeder Lebenslage weiter funktionieren muss, wie es von Müttern eben erwartet wird.”
„Lange Partien Gesellschaftsspiele mit den Kindern, öfter mal Ja sagen zu Sachen, die sonst immer genau abgewogen werden müssen (langes Aufbleiben, Filme am Abend…), den Kleinen mit der ganzen Familie zu betreuen und nicht wie sonst meist alleine.“
„Gutes Essen. Spaziergänge. Ausnahmen mit dem Kind wie Eis am Vormittag oder langes Aufbleiben gemeinsam.“
„We are in China, Shanghai is a safe place right now. We are together, I can spend a whole day at work uninterrupted (except of the 24 sms I got today from my daughter, and 3 calls), oh, I was missing my office so badly the last weeks.”
„Schön ist, dass wir einen Kleingarten haben und dort extrem viel Zeit verbringen. Und das es zumindest zwei der vier Kinder in dieser kleinen Gruppengröße deutlich besser gefällt. Nur eine vermisst den Kindergarten sehr (sie ist aber auch die extrovertierteste und älteste und das einziges Mädchen).”
„Die vermehrten Sonnenstunden bringen mir viel. Der Ausflug an den Rhein am Ostersonntag tat uns allen sehr gut. Kleine Sonnenpausen zur Vormittagszeit auf dem Balkon tun mir gut. Gespräche mit Freundinnen sind gut. Mir tun auch die diversen kulturellen Angebote online gut, die jetzt von Künstlerinnen und Künstlern ins Netz gestellt werden. (…) Es fällt mir derzeit schwer, Freude zu empfinden. Dankbar bin ich für unsere schöne und für unsere Situation sehr große Wohnung und unseren Balkon. Ich bin dankbar dafür, dass ich noch genügend Geld für Miete und Essen habe.“
„Wie immer, die Kleine. Sie genießt es sehr, dass wir jetzt beide da sind, ich morgens nicht ins Büro gehe (und Papa auch nicht), sie jederzeit Stillen kann. Zoom-Dates und Co sind auch ,ganz nett‘, ersetzen aber nach fünf Wochen keine Umarmungen von Freundinnen etc.“
„Mein Kind.“
„,Lange‘ schlafen zu können. Kaum Hektik. Viel leckeres Essen. Der Garten und das Wetter.“
„Spannend ist, mit wem man aktuell (virtuellen) Kontakt hat und mit wem nicht. Freund_innen, die man ewig nicht gesehen hat, laden zum gemeinsamen Weintrinken mittels Zoom, melden sich über WhatsApp, schicken Post für uns. Vielleicht hatte man sich lange nichts zu sagen, aber nun ist auf einmal ein Gesprächsthema da, man tauscht sich aus, lacht gemeinsam, fühlt mit, sorgt sich gemeinsam um die älteren Familienmitglieder. Das ist schön und belebt Freund_innenschaften, die ich längst abgeschrieben hätte. Ich rechne es allen hoch an, denn viele – eigentlich enge Freund_innen – melden sich seit Wochen nicht, auch nicht auf unsere Nachfrage. Menschen, von denen ich dann auf Twitter lesen muss, wie fad ihnen ist und wie angepisst sie sind, dass der geplante Urlaub nix wird. Seit einer Woche teilen wir uns die Kinderbetreuung mit zwei befreundeten Familien, da unsere Kinder zum Teil besorgniserregende neue Verhaltensmuster zeigen. Sie sprechen nicht mehr oder sehr wenig, verweigern jedes nach Draußen-gehen, sitzen apathisch rum, haben Autoaggressionen. Psychische Gesundheit ist ja mit all den Ausgangsbeschränkungen und der totalen Vernachlässigung bis vollständigen Ausblendung der Care-Arbeit kein Thema, das politisch irgendwen zu interessieren scheint. Also organisieren wir uns selber. Die Kinder sind im kleinen Kreis tagsüber gemeinsam an einem Ort, übernachten manchmal beieinander, oft das erste Mal im Leben – das sind Riesenschritte, an denen die Kids wachsen, und das ist schön zu sehen. Schön ist der große Café-Latte vom Lieblingsbäcker, der all die Zeit über offen hatte. Der Blumenhändler, der nun wieder aufgesperrt hat. Und Wald, wo nur geht.”
„Entschleunigung, draußen sein.“
„Beide Kinder machen eine Stunde Mittagsschlaf, dann genieße ich die Ruhe.“
„Freude bringt natürlich die Kleine. Sie wachsen zu sehen, ihr weiches Köpfchen auf meiner Brust, ihr Duft, die Ruhe, die sie mitbringt. Große Freude habe ich auch an den großen Brüdern. Mit wie viel Zartheit und Liebe sie der Kleinen begegnen. Mein Mutterherz ist sehr glücklich gerade. Ich freue mich auch über die gemeinsame Zeit. Jeden Tag gemeinsam in Ruhe essen. Mit meinem Mann zusammen kochen und backen. Mit den Jungs Schule machen. Die Ruhe macht mich glücklich. Sie schafft Raum für anderen Umgang miteinander. Mehr Umarmungen, mehr kuscheln, mehr Austausch über was wir alle fühlen und wie es uns geht. Ich freue mich über kleine Dinge. Das erste Mal in der Sonne Sitzen nach der Geburt. Ein gemeinsamer Kaffee im Garten. Mein Mann und die Jungs, wie sie zusammen lachen. Ein kurzer Moment mit meiner Wolle und den Stricksachen, wie die Maschen von den Nadeln gleiten. Und ich freue mich darüber, dass mensch sich über die Distanz näher kommen.”
5. Was ist schwierig gerade?
„Alles. Ich existiere nicht mehr. Nicht ohne Grund steht uns so viel Hilfe zu, weil eine Person allein das Pensum einfach nicht schafft. Mit zwei so unterschiedlichen Kindern (3 und 6 Jahre alt, letzterer Pflegegrad 5, 100% mehrfachschwerbehindert) kam ich bisher gut klar, aber den Großen im Rolli, den Kleinen mit Bewegungsdrang, in der Großstadt Slalom laufen, das funktioniert nicht. Also keine täglichen Gänge (wir laufen sonst locker 5 km an Alltagswegen), sondern nur drin, alles an und auf mir. Immer. Ich kann nicht mehr.”
„Dort, wo es sich für die einen entschleunigt, verdichtet es sich für die anderen. Und ich fand es noch nie so schwierig, Verständnis füreinander zu bewahren.“
„Schwierig ist, dass es Kräfte zehrend ist. Auf Dauer, ich sag mal länger als 2 Monate zusätzlich, halt ich das nicht aus.”
„Alles unter einen Hut zu bekommen, jedem, auch sich selbst, dabei gerecht zu werden.”
„Auszeiten und Freiraum zu bekommen. Zuversichtlich zu bleiben. Die ganzen Klugscheißer (generisches Maskulinum intended) zu ertragen, die alles besser wissen.”
„Als schwierig empfinde ich die Ungewissheit. Wie geht das Ganze weiter? In NRW sind die Ferien am 19. April zu Ende und ich habe große Angst davor, was weiter entschieden wird. Ich hoffe sehr, dass die Schulen noch nicht wieder öffnen. Dass man allerhöchstens die Prüfungsklassen zur Vorbereitung und Durchführung der Prüfungen bestellt und unter strengen Voraussetzungen unterrichten/prüfen darf. Alle anderen sollen noch zu Hause bleiben. Ich würde das Schuljahr als erledigt erklären, wenn ich etwas zu sagen hätte. Mir bereitet auch Sorge, dass ich nicht weiß, ob meine Familie und ich irgendwie Risikopatienten sein könnten. Eigentlich sind wir so gut wie nie krank, aber wer weiß schon, was passiert, wenn man sich infiziert? Ich hoffe immer noch, dass der Schnupfen und das Halskratzen, das wir alle zu Beginn der Schulschließungen hatten, der Virus war und dass wir jetzt alle erstmal immun sind. Aber man weiß es eben nicht. Ich sorge mich auch um meine demente Mutter, die ich im Moment nicht so besuchen kann, wie ich es gerne täte. Sie ist noch zu Beginn ihrer Demenz, aber die Isolation macht das Ganze nicht besser.”
„Der Job macht mit angezogener Handbremse deutlich weniger Spaß. Die KollegInnen fehlen (FreundInnen und Familie sowieso). Ebenso fehlen Zeit für mich, Bewegung, Abwechslung, alltägliche, unbeschwerte Begegnungen mit anderen Menschen.”
„Die Überforderung mit der Situation an sich. Es gibt nie eine Pause. Die Enge, mitten in Berlin mit drei kleinen Kindern in der Wohnung zu hocken, weil die Kinder Angst haben, rauszugehen. Und das Arbeiten mit kleinen Kinder im Home-Office über solch einen Zeitraum ist ein Wahnsinn für alle Beteiligten.”
„Finanziell ist’s schwierig, aber das wäre es gerade auch ohne Pandemie. Ab und zu ein paar Stunden ohne die Kinder, damit wir etwas schaffen könnten, aber das kleinste Kind geht eh noch nirgendwohin. Insofern Wunschdenken. Trotzdem gibt es natürlich Überforderung, aber deutlich (!) weniger als in meinem vorherigen Alltag.”
„Die Ungewissheit, wie lange das so bleiben wird. Meine Eltern wollten uns für sechs Wochen unterstützen kommen (Anm.: in der 37. SSW). Da sie im Ausland leben, wird das nun nicht möglich sein. Auch die Eltern meines Partners wollten kommen, können dies aber nun nicht. (Auch spannend, dass wir nur von der biologischen Familie konkrete Unterstützungsangebote über mehrere Tage/Wochen erhalten haben). Wir haben noch viel hin- und herüberlegt, nachdem aber der Vater eines guten Freundes an Corona gestorben ist, haben wir unsere Familien ausgeladen. Wir hatten vor, mit unserem Bulli nach Spanien zu fahren – auch das wird nicht möglich sein. Wir bekommen den Wagen derzeit nicht einmal angemeldet. Wie wir ohne Wagen ins 50 min entfernt gelegene Krankenhaus kommen werden, ist noch unklar. Ich bin auch immer wieder besorgt, dass sich etwas an der Krankenhaus-Begleiter*innen-Regelung etwas ändert oder ich eine Bauchgeburt (ich mag den Begriff Kaiserschnitt nicht) haben werde und deshalb länger im Krankenhaus ohne meinen Partner sein muss.
Außerdem sorgt mich, dass wir dann auf unbestimmt als Vater-Mutter-Kind-Kleinfamilie zusammenleben werden – so wie ich es über viele Jahre nie vorhatte. Die Konstellation hätten wir auch ohne Corona-Pandemie, aber dann gäbe es viel mehr Möglichkeiten, Zeit mit anderen Menschen zu verbringen, diese konkret einzubeziehen etc. Ich finde es außerdem sehr belastend, dass ich mich politisch so gelähmt fühle. Aktionen auf der Straße werden sofort unterbunden und alles, was online geschieht, fühlt sich irgendwie weniger stark an. Gleichzeitig traue ich mich manchmal gar nicht zu sagen, was mich sorgt und belastet, weil meine Ängste so klein im Vergleich derer anderer sind. Ich bekomme weiter Gehalt, mein Job wird mir erhalten bleiben, ich wohne mit einem lieben Menschen in einer Wohnung gegenüber eines Parks, wir haben tolle Nachbar*innen… Dennoch fühle ich mich manchmal alleine und ohnmächtig.”
„Schwierig ist, wenn Langeweile aufkommt, da man zur Zeit wirklich kaum was machen kann, keine Spielplätze auf, wo die Kinder toben dürfen oder gar Familie zu sehen oder FreundInnen. Oder einfach rumbummeln zu gehen. Unser Alltag ist weggebrochen und es gibt zur Zeit wenig Struktur für Kinder und Erwachsene.”
„Was mich auch wahnsinnig stört, ist die Verpflichtung, bestimmte Inhalte mit den Kindern zu bearbeiten. Hier mussten wir anfangs in E-mails verkünden, dass wir das jeweilige Wochenpensum gemacht haben. Das fand ich sehr frech: Leute auf sich selbst zurückwerfen und dann alle zu Pädagog_innen zu erklären.“
„Wir verbringen die ganze Zeit nur zu dritt, keine weiteren Familienmitglieder, keine FreundInnen, Arbeit aus der Ferne ist manchmal mühsam wegen Koordination.“
„Ehrlich? Eigentlich alles. Um Einkaufen gehen zu können, brauche ich jemanden für die Kinder. Die Große kann das mal machen. Oder einer der Väter, wenn die Pflegekinder im Bett sind. Bis die dann hier sind, gibt es in den Läden aber all die Hamsterprodukte schon nicht mehr. Mir ist oft schlecht vor Müdigkeit und ich mache mir Sorgen, wie das alles werden soll. Insbesondere mein schwerbehindertes Kind braucht mich rund um die Uhr und die Vorstellung, dass ich das in ein paar Tagen oder Wochen alles nicht mehr schaffe, lässt mich verzweifeln. Ich versuche nicht daran zu denken. Immer nur von Moment zu Moment. Ich habe insbesondere aufgrund meines eigenen Traumahintergrunds eine sehr hohe Funktionalität und extrem viel Energie. Aber die Belastung aktuell ist eigentlich nicht zu schaffen. Immer einen Schritt vor den anderen…“
„Nie alleine zu sein.“
„Eigentlich nur die Ungewissheit und die finanzielle Situation durch den kompletten Kollaps der Musikagentur meines Mannes. Das Nicht-Sehen-Dürfen von FreundInnen bzw. auch das Ausweichen und aus dem Weg gehen, wenn man FreundInnen, Bekannte, NachbarInnen zufällig trifft. Gespräche mit FreundInnen gibt es zwar viele, aber es ist immer ein Abklappern der Ist-Situation und kein spontanes Geplaudere und Sich-Treiben-Lassen – das fehlt schon sehr.”
„Ich habe eine Anpassungsstörung und werde in schwierigen Zeiten depressiv. Mit meiner Selbstständigkeit ging es schon von vornherein langsam (wir sind davon nicht stark finanziell abhängig, aber ich habe das Bedürfnis nach Tätigkeit und finanzieller Unabhängigkeit/Sicherheit). Jetzt entsteht bei mir der Eindruck, nach drei Jahren wieder gänzlich zum Anfang zurückzukehren. D.h. ich fühle mich beruflich gescheitert/erfolglos. Die soziale Isolation und die erhöhte Schlagzahl in den Social Media gibt mir das Gefühl, dass meine Existenz nicht von Bedeutung ist, d.h, ich verschwinde. Diese beiden Gefühle zusammen belasten mich und die Situation mit den Kindern. Auch weil ich oft denke, dass meine Situation anders wäre, wenn ich nicht Mutter wäre bzw. wie anders die Situation für Väter ist. Frustration und Hilflosigkeit generell und speziell in dieser Corona Krise lähmen mich zusätzlich.”
„In dieser Zeit einen Job finden zu müssen, der uns ernähren kann. Vermutlich müssen wir umziehen. Schwierig für uns alle sind die fehlenden Kontakte mit Freundinnen und Freunden.“
„Meine absolute Perspektivlosigkeit in Sachen Arbeit, das Gedankenkarussell rund um Beantragung von Hilfen, Hartz IV… außerdem die wenige Zeit alleine.“
„Die Ungewissheit über allem. Die ist latent in jeder Sekunde dabei und bringt mich schon mal im Home Office zum Weinen, nur weil ich vergessen habe, das Internet am Morgen einzuschalten und fünf Minuten warten muss, bis ich zu arbeiten beginnen kann.“
„Nicht wissen, wie es weitergeht. Die Kinder vermissen ihre Freund_innen (ich natürlich auch), und es ist schwierig, damit umzugehen. Wir sind viele Menschen in der WG, einige müssen auch arbeiten, d. h. wir können uns nicht komplett isolieren. Es ist schwer, zu argumentieren, dass die Kinder ihre Freund_innen nicht sehen dürfen, während einige normal zur Arbeit gehen oder auch Spaziergänge mit Freund_innen machen und dabei Abstand halten. Gleichzeitig ist es für die Kinder nicht möglich, sich mit Freund_innen drinnen zu treffen, weil alle Angst vor Ansteckung haben, und draußen z. B. Ballspielen auf Abstand geht auch nicht, weil dann direkt immer mehr als zwei Personen anwesend sind (Bezugspersonen eingerechnet).“
„Ich komm so nicht dazu, genug Aufträge zu lukrieren, mein Partner kann die Karenzzeit nicht so nutzen/erleben, wie gehofft und wir blaffen uns natürlich öfter an. Einfach viel zu viel aufeinander picken, ohne viel tun zu können.“
„Konzentration. Das ist echt schwer. Ich denke gar nicht so konkret über irgendwas nach, aber der ständige Stress-Level macht, dass ich das Gefühl habe, mich nicht lange konzentrieren zu können. Lesen fällt deswegen leider als Beschäftigung weg. Auch schwierig ist, dass unser vierjähriges Kind sehr unter der Situation leidet. Bemerkbar macht sich das vor allem daran, dass es sich, abseits von Computerspielen oder Film gucken, nicht mehr alleine beschäftigen kann. Immer, wirklich immer, muss jemand dabei sein. Das Nachbarskind aus unserer ,Isolationsgruppe‘ oder eben wir Erwachsenen. Das ist ziemlich hart.“
„Konzentration auf die Arbeit.“
„Politisch wird mir übel, den Herrn Kurz so oft zu sehen; und dass Kinderbetreuung von 0 bis 6 Jahren null politisches Thema ist. Die unterschiedlichen Ansätze auf Social Media ärgern mich: von ,endlich Zeit zum Meditieren’ bis zu ,mir ist so fad’. Beides empfinde ich nach einem Monat ohne Kindergarten, in dem das gleiche in meinem Job gefordert wird – wenn nicht noch mehr, nicht so. Für meine Familie und mich ist es ärgerlich, dass nach vielen persönlichen Krisen (chronische Krankheit meines Partners ab 2018; plötzlicher Tod meiner Mutter nach 40 Jahren Multiple Sklerose Anfang 2019) diese globale Krise uns ein wenig Leichtigkeit nimmt. Schwierig auch das Zurückgeworfen sein auf die Menschen, mit denen man im Haushalt wohnt – mit denen ich zwar gut zurechtkomme (und sie auch sehr lieb habe), aber mir halt auch sehr viele menschliche Einflüsse fehlen – und die ganze Videotelefonie ist nervig. Ich will schweigend nebeneinander ein Bier trinken. Freiheit geht mir ab.”
„Das Kind vermisst die Kita und die FreundInnen, das kann ich nicht abnehmen. Ich werde keinem der Kinder wirklich gerecht.“
„Vieles. Ich mache mir sehr viele Sorgen, habe Schlafstörungen. Ich frag mich, wann unsere Tochter mit anderen Kindern spielen darf, überhaupt andere Kinder und den Umgang mit ihnen erlernen darf, wie der Sommer wird (heiße Wohnung, kein Garten o.Ä.), ob ich meine eigenen Großeltern (ü85) nochmal sehe, wann sie ihre Großeltern (meine und seine Eltern) wieder sehen darf. Sie versteht nicht, wieso die Menschen Masken tragen und findet das scheinbar etwas furchterregend. Sie sucht hier sehr viel Rückhalt und Bestätigung bei uns. Dazu ein bisschen finanzielle Sorgen.“
„Nicht zu wissen, was die PolitikerInnen entscheiden – denn wenn das dumm ist (wie in der Leopoldina Studie), geht die innere Ruhe verloren.“
„Am meisten beschäftigt mich die Diskrepanz und wie wir es schaffen, den Kindern wieder ein unbeschwertes Leben zu ermöglichen, ohne Risikogruppen zu gefährden. It takes a village – aber selbst wenn man sich das mühsamst aufgebaut hat, ist das Village halt gerade sehr selbst isoliert.“
„Die Perspektive langfristige Isolation von Großeltern und besten Freunden insbesondere für die 3,5-Jährige. Die Aussicht auf wiederholte jobbedingte Quarantäne (der Mann arbeitet im Krankenhaus; Anm.).“
„I am scared for my grandparents, my parents in law, my pregnant sister in law, and all the vulnerable people not as privileged as we are. I do not want to emphasize what is going to happen in the next weeks, even the best case scenarios sound like night mares. I would love to think that crisis will bring people closer together but I read the comments and I have little hope. Oh and I hate hate hate home schooling. But that’s okay now I guess, I already forgot about it.”
„Bald sollen die Schulen wieder öffnen und das macht mir Angst. Seit ich alleinerziehend bin ist mein Immunsystem durch Stress und wenig Schlaf im Keller und ich mache mir Sorgen, was passiert, wenn ich krank werden sollte. Familien in der Stadt habe ich nicht. Ich wüsste nicht, was dann mit meinen Kindern ist. Auch mein Schulkind gehört zu einer Personengruppe, die etwas gefährdeter ist, und auch das macht mir natürlich Sorgen.”
„Alles irgendwie. Wir hielten uns immer für psychisch stabil, krisenfest, aber die aktuelle Situation führt uns schmerzhaft an unsere Grenzen. Das ist hart, für uns als Familie, aber auch ganz allgemein betrachtet. Wie wird das Leben danach weitergehen? So wie es jetzt läuft z.B. zuhause, kann es nicht weitergehen. Wir reiben uns gegenseitig auf und so will ich nicht mit anderen zusammenleben. Das sind alles große Enttäuschungen, mit denen wir erst klar kommen müssen. Im Moment belastet uns der unausgetragene Konflikt innerhalb der WG sehr, aktuell schaffen wir aber keinen offenen Konflikt. Das ist die Ambivalenz, in der wir leben müssen. Mein Umgang damit ist Rückzug, ich spreche nicht mehr oder sehr wenig und arbeite viel an Projekten, die mir zum jetzigen Zeitpunkt eher absurd vorkommen. Wir haben den Eindruck, gerade jetzt zeigt sich, wer für einen da ist und wer nicht. Die Trennlinie ist eindeutig und das ist schmerzhaft, wenn man erkennt, wer Kontakt hält, dem Kind virtuell Geschichten vorliest, regelmäßig schreibt, anruft, Briefe schickt. Und wer es nicht hinkriegt. Wohlgemerkt – auch hier sind es vor allem die Freund_innen und Familien mit Kindern und diversen Mehrfachbelastungen, die uns nahe sind, die da sind, Hilfe anbieten, zuhören. Und nicht die mit dem Garten, Balkon, Terrasse, mit den zwei Autos, supertoll bezahlten Jobs, keinen Betreuungspflichten und psychisch stabil. Das sind auch die, die in sozialen Medien am meisten schimpfen, wenn die Öffnung der Spielplätze gefordert wird. Unerträglich finde ich auch die Leute, die die ,Entschleunigung’ abfeiern und es ganz gut finden, wie es aktuell (für sie) läuft. Schon schräg, was aktuell passiert.”
Beitragsbild: Privat