White Feminism am Ende

meinung

von Cornelia

Die Krise zeigt uns schmerzlich, wie viel Augenauswischerei in der Gleichberechtigung hierzulande steckt. Die viel und gern zitierte Karriere mit Kind, die ohnehin nur einen Bruchteil der Frauen betrifft, ist in vielen Fällen nur möglich, weil Care-Arbeit – also die klassische unbezahlte Arbeit, die sonst meist von erwerbsarbeitenden Menschen mit Kindern in der „zweiten Schicht“ erledigt werden muss – ausgelagert wird. Nicht selten kümmern sich um Haushalt, Kinderbetreuung und Pflege weniger privilegierte, oft migrantische Frauen. Das hinterlässt wiederum Lücken in den Lebenswelten dieser “Arbeiter_innen im Privaten”. Ein Phänomen, dessen vor allem emotionale Komponente hinreichend mit dem Konzept der global care chain der US-amerikanischen Soziologin Arlie R. Hochschild beschrieben wird. Arbeitsmigrant_innen müssen sich in der Regel selbst um eine Vertretung im eigenen Heim kümmern. Die jeweiligen fortgesetzten Betreuungsketten bestehen wiederum – wenig überraschend – fast ausschließlich aus weiblichen Bezugspersonen.

Von einer gelungenen Umverteilung der Aufgaben zwischen den Geschlechtern kann also keine Rede sein. Im Gegenteil. Die Art und Weise der Emanzipation von privilegierten Frauen hierzulande hat die Lebensbedingungen vieler mitunter verschärft, weil diese hinter der gefeierten Erfolgsfassade des sogenannten “weißen Feminismus” – also des vorrangigen Kampfs um Privilegien für weiße cis Mittelschichtsfrauen – verschwinden. Intersektionale Feminist_innen haben wieder und wieder darauf hingewiesen, blieben aber im (politischen) Mainstream unterm Strich meist ungehört.

Ist die Coronapandemie also tatsächlich ein Desaster für den Feminismus, wie in diesen Wochen vielerorts zu lesen ist? Ja, keine Frage. Inwiefern, das zeigt etwa der Blick auf Studien zu Ebola und Zika bzw. lässt sich auch aktuell teilweise schon belegen: gestiegene häusliche Gewalt, erschwerter Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen, katastrophale Geburtssituationen. In Österreich verschob sich in den vergangenen Tagen das Geschlechterverhältnis bei den Erkrankungen zusehends zulasten der weiblichen Bevölkerung. Das ist nicht verwunderlich, wenn man etwa daran denkt, dass vor allem Frauen und da vor allem nicht-weiße Frauen in sogenannten systemrelevanten Berufen tätig und somit der Gefahr einer Ansteckung besonders ausgesetzt sind. In den USA ist zudem bereits ein alarmierender Mortalitätsgap zu beobachten, der davon zeugt, dass gesellschaftliche Diskriminierungsformen sich natürlich auch im Gesundheitssystem fortsetzen.

Also, ja, die Pandemie ist ein Desaster für feministische Meilensteine. Aber beschränkt sich ein derartiger Ausruf lediglich auf die Situation der weißen westlichen Mittelschichtsfrau – gerne illustriert mit Bildern des 1950er-Kleinfamilienidyll – ist dies nicht unproblematisch. Unbestritten ist, viele Mütter leiden verstärkt durch die Doppel-, Dreifach- und Vierfachbelastung von Haushalt, Betreuungspflichten, Home-Schooling und Job. Das wahre Desaster ist aber, dass diese Arbeiten – und damit auch jene, die sie in vielen “gleichberechtigten” Hetero-Paar-Haushalten sonst verrichten – in der Krisenrhetorik der Politik zum zweitrangigen Problem erklärt werden. Zu etwas, das „nebenbei“ erledigt werden kann, während alle Anstrengungen abseits der medizinischen auf den Schutz der Wirtschaft fokussiert zu sein scheinen. Und obwohl derzeit vermutlich jede_r sehen kann, wie abhängig unsere Gesellschaft von der (zudem schlecht bezahlten) Arbeit von Frauen ist, spiegelt sich das kaum in den politischen Maßnahmen wider.

Das ist frustrierend. Und ein Versäumnis, das der weiße Feminismus mitverschuldet hat.

Mit anderen Worten, denkt ihr eh daran (wenn die Krise eure Finanzen nur wenig berührt), eure Reinigungskraft, Haushaltshilfe und Babysitterin auch in dieser Zeit des Social Distancing und damit ihrer Abwesenheit im eigenen Heim zu entlohnen?

 


Zum Weiterlesen: The response to Coronavirus is a feminist issue und Ein solidarisches Umverteilungsprojekt

Beitragsbild: Privat | Graffiti am Donaukanal von: Bojana Volas

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