Warum ich mit den Schulferien nichts zu tun haben möchte

meinung

Schulkolumne von Linda Bath

Wir befinden uns eine Woche vor Schulschluss. Für mich ist es der erste Schulschluss, den ich aus Elternsicht erleben darf. Es herrscht ein kleiner Ausnahmezustand an der Ganztagsschule meiner Tochter. Jeden zweiten Tag ist früher Schluss, es gibt Vorführungen, ein Schulfest, Konferenzen und andere Gelegenheiten, an denen die Anwesenheit der Eltern am frühen Nachmittag erwartet wird. Am letzten Schultag werden die Kinder sogar nach nur einer Stunde Zeugnisverteilung wieder entlassen. “Achtung, es gibt auch keinen Notdienst”, steht in solchen Fällen im Mitteilungsheft. Das bedeutet, dass auch für Notfälle (was auch immer das bedeuten soll?) keine Nachmittagsbetreuung angeboten wird.

Vereinbarkeit

Unsere Vereinbarkeitssituation hat sich seit dem Schuleintritt von K1 deutlich verschlechtert. Ich hatte eigentlich gehofft, dass es mit der Ganztagsschule besser wird, als es im Kindergarten war.

“Den letzten Schultag habe ich mir schon lange freigenommen”, sagt eine befreundete Mutter. Als wäre es Common-Sense, dass man sich den Zeugnistag frei hält – wie so viele andere Tage und Nachmittage in den letzten Monaten.

Schon jetzt hat uns die Schule mitgeteilt, wie die Unterrichts- und Betreuungszeiten in der ersten Woche nach den Ferien sein werden. Wieder Ausnahmezustand. Wieder freihalten.

5 Wochen Urlaub vs. 13 Wochen Ferien

Erwerbstätigen Menschen in Österreich werden fünf Wochen Urlaub pro Jahr zugestanden. Schulkinder haben rund 13 Wochen Ferien. Dieses kleine Ungleichgewicht muss von irgendjemandem organisiert werden. Wir Eltern haben uns Gedanken über jeden einzelnen freien Tag während des Schuljahres gemacht, genau so wie über jede einzelne der neun Ferienwochen, die vor uns liegen.

Welche Woche wird das Kind wo und mit wem verbringen? Wann kann es mit Freund*innen sein, wann in der Sommerbetreuung, wann geht sich ein gemeinsamer Urlaub aus? Das muss mit meinen Arbeitskolleg*innen, denen meines Partners, den Freund*innen des Kindes (und deren Eltern) und der Schließwoche des Kindergartens der kleinen Schwester abgestimmt werden. Für das alles müssen wir Zetteln und Formulare an den verschiedenen Stellen abgeben. Es lebe die Bürokratie. Wir hätten gerne zumindest zwei Urlaubswochen als Familie gemeinsam. Es gleicht einem kleinen Wunder das organisatorisch hinzukriegen. Oft denke ich mir, Familienterminmanagement ist alleine ein Teilzeitjob.

Es gibt für alles eine Lösung, meistens zumindest. Es muss sich nur eine darum kümmern. Wir leben in einer Stadt, wo für die Ferienwochen eine Betreuung angeboten wird. Das Programm klingt gut, den Kindern wird es vermutlich gefallen. Eine willkommene Abwechslung zum Schulalltag im Idealfall. Wir sind gut vernetzt, werden uns mit den Nachbar*innen abwechseln und die Kinderbetreuung untereinander aufteilen. Ich steigere mich unnötig rein, denke ich mir zwischendurch. Letztendlich wird sich alles wieder irgendwie ausgehen und alles wird gut sein.

Zu viele Ferienwochen?

Ich sehe aber auch, dass wir Eltern vieles akzeptiert haben. Dass wir dankbar sind, dass es für die Ferien überhaupt eine Betreuung gibt. Wir leben in einer Gesellschaft, in der soziale Absicherung an Vollzeiterwerbstätigkeit gekoppelt ist (wenn man nicht reich geboren wurde und so wie ich zu den Lohnabhängigen gehört). Gleichzeitig haben wir ein Schulsystem, das, was die Ferien betrifft, an eine agrare Gesellschaft angepasst ist, in der die Kinder in den Sommermonaten für die Erntearbeit gebraucht wurden.

Ich habe nichts gegen Schulferien und auch nichts gegen unterrichtsfreie Nachmittage, im Gegenteil. Ich möchte mich aber bitte nicht um jedes Betreuungsdetail kümmern müssen. Ich träume von einer Schule, die das ganze Jahr hindurch offen hat. Wo es so viel Freiraum und Freiheiten gibt, dass weder Kinder noch Lehrer*innen 13 Wochen Urlaub pro Jahr brauchen. Und solange erwerbstätige Eltern nur fünf Wochen Urlaub pro Jahr haben, bin ich dafür, dass Schulkinder auch nur fünf Wochen pro Jahr frei nehmen. Fünf Wochen, die jede Familie individuell festlegen kann. Was im Kindergarten funktioniert, müsste doch auch für die Schule möglich sein?

Wir können gerne über eine 6. oder auch 7. Ferienwoche reden. Ich hätte nichts dagegen. Aber bitte nur, wenn sie auch für Arbeitnehmer*innen eingeführt wird.


Linda Bath lebt mit ihrem Partner und ihren beiden Kindern in Wien. Weil sie eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Schulsystem aus Elternsicht vermisst, hat sie diese Schulkolumne ins Leben gerufen.

Beitragsbild (c) Joe Pizzio via unsplash

Alle bisher erschienenen #schulkolumnen von Linda Bath.

One Reply to “Warum ich mit den Schulferien nichts zu tun haben möchte”

  1. […] sind, neue, alte Betreuungsfragen, die sich wieder stellen, Hallo Murmeltier, geliebter Freund. Und Ferien. Immerhin, 2009 gab es erstmals mehr Schultage, als schulfreie Tage. Das ist doch mal eine positive […]

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