Schulkolumne von Linda Bath
Immer wieder erzählt das Kind auch Positives aus der Schule. Heute zum Beispiel, da hat es erzählt, dass sie in der Klasse Osterkarten gebastelt haben. Einige Kinder haben angemerkt, dass ihre Eltern oder Großeltern die deutschsprachigen Ostergrüße nicht verstehen werden. Da hat die Lehrerin auf ihrem Handy die Übersetzungen gesucht und die Kinder abschreiben lassen. Das fand ich gut. Mehrsprachigkeit in den Unterricht eingebaut, keine Erstsprachen abgewertet und auch das Smartphone sinnvoll eingesetzt. Gut gemacht, liebe Lehrerin, denke ich mir.
Religion im Unterricht
Gleichzeitig stoße ich mich (nicht zum ersten Mal) an den religiösen Inhalten im allgemeinen Unterricht. Ja, Ostern gab es auch schon, bevor es das Christentum für sich besetzt hat. Aber wie viele Familien aus der Klasse feiern denn überhaupt Ostern? Und hat die Lehrerin in irgendeiner Weise thematisiert, was es mit Ostern auf sich hat? Das Kind erzählt mir nichts davon. Es ist einfach so normal in diesem Land, dass Kinder in der Schule Ostern feiern. Es ist einfach so normal in diesem Land, dass der katholischen Kirche ein umfassender Raum in allen Bereichen des öffentlichen Lebens eingeräumt wird. Oder wie der Obmann des Elternvereins auf meine diesbezügliche Kritik hin sagte: „Österreich ist ein katholisches Land, das ist Teil unserer Kultur.“
Diversität in der Schule ums Eck
Mein Kind geht auf die öffentliche Schule ums Eck und ich zerbreche mir meinen Kopf darüber, ob es eine gute Idee ist, es dorthin zu schicken, seit es geboren wurde. Ich zweifle sehr stark an unserem Schulsystem, bin aber auch davon überzeugt, dass wir es nur gemeinsam weiterentwickeln können.
In der Schule gibt es die größtmögliche Diversität, die ich mir wünsche. Der Sohn einer Anlageberaterin sitzt neben der Tochter einer Reinigungskraft. Bei 25 Kindern in der Klasse gibt es rund 15 Erstsprachen zusätzlich zu Deutsch. So groß, wie die sprachliche Diversität ist, ist vermutlich auch die Einkommensdiversität der Eltern und das ist gut so. Religionsunterricht gibt es für vier verschiedene Konfessionen. Die Kinder, die an keinem Religionsunterricht teilnehmen wollen, werden während des Religionsunterrichts „beaufsichtigt“. Atheistische Kinder, so wie meine Tochter, sind in der Minderheit. So viel ich weiß, gibt es nur noch ein weiteres Kind, das an keinem Religionsunterricht teilnimmt.
Religionsfreiheit
Religionsfreiheit, darunter versteht man in Österreich, dass man sich seine Religion aussuchen kann und nicht aufgrund einer Religionszugehörigkeit diskriminiert werden darf. Dass man sich auch keine Religion aussuchen kann und auch deshalb nicht diskriminiert werden darf, soweit sind wir noch nicht. In der Klasse hängt ein Kreuz. Daneben haben die Kinder die Symbole der anderen Religionen der Klasse ausgedruckt und aufgeklebt. Wenn es nach mir ginge, würden gar keine religiösen Symbole in der Klasse hängen. Ich habe dieses Anliegen auch schon an die Lehrer*innen herangetragen. Sie finden es aber schön das Kreuz und es tue auch niemandem weh. Auf die Frage, womit sich denn mein atheistisches Kind in der Klasse identifizieren soll, meinte die Lehrerin: “Es ist noch so viel Platz auf der weißen Wand, Ihre Tochter kann sich doch hier überall identifizieren.”
Am letzten Tag vor den Oster(sic!)ferien sagt das Kind: „Heute machen wir eine Osterfeier in der Schule. Aber keine Angst Mama, eh nur eine kleine.“ Das Kind hat mittlerweile eine Art Vermittlungsrolle zwischen mir und der Schule eingenommen. Es stellt Dinge, von denen es weiß, dass sie mir nicht gefallen werden, abgeschwächt dar oder versucht sie in ihrer Bedeutung kleiner zu machen, als ich sie wohl einschätzen würde. Es ist immer wieder erstaunlich, welche Kompetenzen Kinder entwickeln.
Dabei habe ich gar nichts gegen Feiern, im Gegenteil. Ich halte es für sehr wichtig, dass in der Schule gemeinsam gefeiert wird. Auch meine Tochter liebt Feiern aller Art. Sie liebt es sie vorzubereiten, sie liebt es zu kochen und den Raum zu gestalten und sie braucht die Wiederkehr immer gleicher Ereignisse im Jahresverlauf. Eine Gemeinschaft lebt von Ritualen. Beim gemeinsamen Feiern werden Beziehungen vertieft und Erinnerungen geschaffen. Besonders vor diesem Hintergrund finde ich es wichtig, dass Feste und Rituale in der Schule nicht im Kontext einer Religion stattfinden. Meinem Empfinden nach, ist es unserer Gesellschaft (und unserem Bildungssystem) bisher nicht ausreichend gelungen nicht-religiöse Rituale und Feste zu etablieren, mit denen wir uns alle, unabhängig von einer Religionszugehörigkeit identifizieren können.
Frauentagsferien
Dabei könnte alles auch ganz anders sein. Stellen wir uns zum Beispiel vor, der internationalen Frauentag am 8. März wäre ein gesetzlicher Feiertag (so wie er es übrigens seit 2019 in Berlin ist). Weil der Tag so wichtig für unsere Gesellschaft ist, bekommen die Kinder schon eine Woche davor Schulferien. In der Schule werden die Errungenschaften der Frauenbewegungen gefeiert und selbstverständlich wird auch thematisiert, warum es die sogenannten Frauentagsferien gibt, was es mit dem Patriarchat auf sich hat und warum viele der Forderungen der ersten Frauenbewegung noch immer nicht umgesetzt sind. Hätten die katholischen Feiertage in Österreich nicht diesen umfassenden Anspruch, gäbe es Platz, anderen gesellschaftlichen Ereignissen mehr Bedeutung in Form von Feiertagen und Schulferien zu geben. Ich bin davon überzeugt, dass das etwas in unserem Bewusstsein und in dem unserer Kinder ändern würde.
Aber zum Glück geht das Kind ja noch einige Jahre in die Schule und ich werde mich weiter dafür einsetzen, etwas in diese Richtung zu bewegen oder es zumindest ins Bewusstsein der Verantwortlichen zu rücken. Denn weiterentwickeln können wir unser Schulsystem nur gemeinsam.
__________________________________________________
Linda Bath lebt mit ihrem Partner und ihren beiden Kindern in Wien. Weil sie eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Schulsystem aus Elternsicht vermisst, hat sie diese Schulkolumne ins Leben gerufen.
Photo by Cel Lisboa on Unsplash
klasse gute idee mit der schulkolumne! Feministische Eltern*schaft betrifft auch und vor allem pädagogische Themen…das Kind kommt nächstes Jahr in die Schule und mir ist jetzt schon Angst und Bange was da alles auf mich zu kommt.LG F