Jen hat über die gesellschaftlichen Auswirkungen der Präservation von Eizellen auf den Mutter*wunsch und potenzielle Stigmata geforscht. Für ihre Masterarbeit hat sie vier Frauen, die sich noch kaum mit der Technologie auseinandergesetzt haben, einen trans Mann, der schwanger werden möchte, sowie eine Frau, die bereits ihre Eizellen hat präservieren lassen, befragt. In ihrem Text berichtet sie über die vielen normativen Erwartungen von Personen rund um Schwangerschaft(en), die in ihren Ergebnissen zutage getreten sind.
von Jennifer Nahe
Die Entscheidung für oder gegen eines oder mehrere Kinder entsteht nicht per se immer bewusst. Gleichsam gibt es auch Personen, wie die von mir Interviewten, die für sich genau wissen: Ich möchte schwanger werden. Zudem ist das heteronormative Frauenbild mit der Reproduktionsaufgabe noch stark verknüpft und bildet eine gendernormierte Sichtweise auf den Kinderwunsch. Inwieweit diese Sichtweise auch einen Einfluss auf den Schwangerschaftswunsch hat, konnte ich in den Ergebnissen meiner Masterarbeit herausarbeiten.
Perfekter Zeitpunkt? Alles individuell.
So sagte Adele (sämtliche verwendeten Namen sind anonymisiert) in ihrem Interview: “Mutter zu sein macht mich zu noch mehr, also ich bin auch so eine Frau, auch wenn ich keine Kinder kriegen kann, aber Mutter zu sein macht mich irgendwie zu mehr, Besserem.” Das Mutter*sein sieht sie als identitätsstiftendes Merkmal für sich. Die körperliche Erfahrung der Schwangerschaft wollten auch andere befragte Personen erleben. Kinderbekommen ist ihnen zufolge inhärent mit dem Geschlecht von Frausein verknüpft. Im Rahmen der Arbeit wurde mir dies vor allem am Interview mit einem trans Mann deutlich, der sich mitunter viel mehr für seinen Schwangerschaftswunsch rechtfertigen muss. Im Vergleich zu den cis Frauen, von denen sogar erwartet wird, dass sie schwanger werden.
So erkannte ich, dass aufgrund der eigenen Idealvorstellungen der interviewten Personen über die Schwangerschaft, die interviewten Personen einen individuell empfundenen Idealzeitpunkt im Kopf haben: Aufgrund diese Vorstellungen zum Zeitpunkt passe das Elternwerden unterschiedlich gut in ihr Leben. Dieser Idealzeitpunkt bezog eine abgeschlossene Ausbildung sowie einen “sicheren Job” und als “gerade” und “stabil” verstandene Lebensumstände mit ein: ein Wunsch um eine gar nahtlose Einfügung der Elternschaft in ihr bisheriges Leben, bei der jedoch auch die bisherige Autotomie gleichsam bestehen bleibt.
Die Angst um Vereinbarkeit
Reproduktionstechnologien zielen in ihrer Promotion darauf ab, eine Lösung zu sein, um Autonomiewünsche ein Stück weit mehr gewährleisten zu können. Auch in den Interviews wurde mir immer deutlicher, dass gerade im Bezug auf Vereinbarkeiten des Schwangerschaftswunsches mit dem “bisherigen” Leben, die Interviewten eine Reihe an Ängsten hatten, die sich nicht per se nur mit dem Aufschub der Schwangerschaft auf einen späteren Zeitpunkt lösen würden.
Eine der Interviewten hatte zum Zeitpunkt der Interviews bereits ihre Eizellen einfrieren lassen. Hierdurch erwünschte sie sich die Möglichkeit erst dem von ihr gewählten Karrierepfad zu folgen und gegebenenfalls den “richtigen Partner” zu bekommen, bevor sie schwanger würde, ohne dass ihr altersbedingt die Möglichkeit hierfür genommen würde.
Adele merkte an, dass der internalisierte Zwang, welchen ich auch in den anderen Interviews herausarbeiten konnte, Karriere und Elternsein vereinbaren zu wollen, allgemein in der Leistungsgesellschaft ihren Ursprung hat: “Man merkt unterschwellig immer wieder dieses ‘du bist Mutter oder Karrierefrau’-Entscheidungsding: NEIN! Du bist auch einfach mal eine FRAU! Das ist so wichtig, dass man das mal sagt und sieht, dass diese Menschen nicht nur Arbeitstierchen sind oder Muttertierchen. Sie sind auch sie selber und das sollten sie auch immer sein und sich frei entscheiden dürfen.”
Der Mensch selbst wird in diesem Leistungsanspruch geringer geschätzt, als das, was er/sie/x leisten kann. Adele wies mit ihrer Aussage nicht nur auf die Rollenanforderungen hin, denen sich Frauen(tm) ausgesetzt sehen, sondern darüber hinaus auch auf die verbreitete Annahme, dass sich Elternsein mit Karriere nicht vereinbaren lässt. Aufgrund der unterschwellig an sie herangetragenen Erwartungshaltungen darüber wie sie “geschlechterkonform” zu handel habe, ist jedoch zu beachten, dass es keine stets freie Entscheidung ist, sich für Karriere, Kind oder beides zu entscheiden. Vielmehr ist es ein Entscheidungsprozess, der in ein Netzwerk an Menschen, Umstände und dem Zugang zu Ressourcen verwickelt ist.
Auch in den anderen Interviews zeigte sich, dass die Interviewten große Probleme bei Vereinbarkeit von Elternschaft und ihren Karrierewünschen auf sich zukommen sehen. Der Gedanke an Elternschaft ist noch stark verknüpft mit der Vorstellung, dass frau andere Lebensinhalten fast in Gänze aufgeben müsse, statt Möglichkeiten um Vereinbarkeiten von Elternschaft und Karrierewünschen aufzuzeigen und verstärkt zu ermöglichen.
Berit berichtete in ihrem Interview: Es ist für sie wichtig, dass sie: “[…] also wenn ich dann die Familie habe, aber trotzdem auch [meinen] Beruf verfolgen kann, als nicht die klassische Hausfrau, die generell alles aufgibt und dann nur noch für Kind und Mann zuhause ist, das wär halt nicht wirklich meine Welt, ähm, wie sich das kombinieren lässt, ist, glaube ich, nochmal ein ganz anderes Thema.”
Abgrenzungen, Idealbilder und Lösungsvorschläge?
Bereits der ersten Auswertung der Interviews zeigte sich mir, dass die interviewten Personen ein klares Bild von den für sie in Frage kommenden Vorstellungen von Mutter*schaft haben. Im Verlauf der Arbeit wurde mir immer deutlicher, dass durch die entstandenen Idealbilder um Eltern- Mutter- und Schwangerschaft der interviewten Personen, die von mir Interviewten sich von anderen Elternbildern abgrenzten.
Geschlechterspezifische Anrufungen und Ängste beeinflussten mitunter, dass Elternbilder, die nicht ihre eigenen waren, explizit verneint wurden. Vor allem von dem als traditionell angesehenen Bild der Hausfrau und Mutter wurde sich stark abgegrenzt. Es kam den Befragten im besonderen Maße darauf an, dass sich ihre Zukunft mit Kind nicht nur auf ihre Rolle als Eltern beschränken würde. Statt einer Solidarität mit allen Formen von Mutter- und Elternschaft, kam es so vielmehr zu einer Abgrenzung von dieser.
Ich bin der Überzeugung, dass, wenn Menschen unabhängiger von diesen Rollenbildern argumentieren würden, dies ein wichtiger Schritt in Richtung Anerkennung beziehungsweise Gleichstellung verschiedener Formen der Elternschaft und Elternschaftswünschen wäre. Durch diese Abgrenzung von dem dargestellten Rollenbild, wird gleichsam das Bild der Frau hinterm Herd reproduziert: Diese Frau kümmert sich um die Kinder, erledigt den Haushalt und hat durch diese Tätigkeiten vermeintlich kein eigenes Leben. Diese Rolle wird nicht nur angesprochen gleichsam mit der wertenden Konnotation versehen, dass dies kein erfülltes Leben sei. Statt verschiedene Formen von Elternschaft nebeneinander zuzulassen wird sich erneut von einem Bild abgewandt und dieses diskreditiert und gleichzeitig ein anderes Ideal hervorgehoben. So lässt sich quasi eine Umkehr der normativen Ansprüche an Frauen erkennen: Sei keine Hausfrau! Sei eine Powermutti, die auch Karriere macht und schafft!
Fazit? Fazit!
Als Fazit meiner Forschung lässt sich zusammenfassend sagen, dass das Verfahren der Präservation von Eizellen noch nicht bei den Befragten als reale Option angekommen ist. Somit konnte die Rolle dieser Technologie bei der Kinderfrage oder als Einflussfaktor auf mögliche Diskriminierungsaspekte nicht in Gänze geklärt werden. Es wurde jedoch deutlich, dass Elternbilder sich vor allem daran orientieren, dass die Personen möglichst alle ihre Wünsche vereinbaren kann und sich nicht beispielsweise zwischen Karriere und Elternschaft entscheiden muss.
Darüber hinaus war den interviewten Personen, welche die Technologie noch nicht für sich genutzt hatten, wichtig, erst einmal zu versuchen ein eigenes Kind auf “natürlichem” Wege zu bekommen, bevor andere Möglichkeiten versucht werden. Sie grenzten sich dabei von der Vorstellung “unnatürlicher” Empfängnis ab und kreierten hier eine klare Distinktion zwischen denen, welche Hilfsmittel zur Erfüllung ihres Kinderwunsches heranziehen und denen, welche sich diesen Wunsch “natürlich” erfüllen könnten.
Auch wenn die Technologie der Präservation von Eizellen viele Möglichkeiten und Perspektiven für ihre potentiellen Nutzer*innen öffnen soll, werden durch ihre Ansprache gleichsam weitere Ausgrenzungen vorgenommen und gesellschaftliche Ungleichheiten reproduziert.
Durch diese Verknüpfung ist die Sichtbarkeit von Trans*, Inter*, nicht-hetero und auch von Singles und Poly-Konstellationen in der Debatte eingeschränkt und Personen aus den erwähnten Gruppen haben dadurch mitunter geringeren Zugang zur Technologie, oder Informationen über diese, da sie nicht automatisch in die zu informierenden Zielgruppe fallen.
So wurde zwar 2014 durch mediale Präsenz das Thema autonome Reproduktionsentscheidungen mehr in Fokus gerückt, jedoch wird weiterhin mit festen Rollenerwartungen argumentiert, die davon ausgehen, dass Frauen(tm) Kinder bekommen, statt über Elternschaft als Gesamtkonzept und mit diesem Konzept verbundenen Wertevorstellungen zu diskutieren.
Damit eine Pluralität von Elternbildern möglich ist, braucht es ein Verständnis dafür, dass es nicht um potentielle Eltern geht, die eine homogene Gruppe sind, sondern es individuelle Angebote für verschiedene Lebensrealitäten braucht, deren mögliche Konflikte sich nicht immer durch die Verwendung einer Technologie, respektive durch das Aufschieben des Kinderwunsches, lösen lassen.
Schlussendlich sollte es weniger darauf ankommen, dass Eltern ein Idealbild erfüllen, sondern dass die gewünschten Kinder gut versorgt werden können und Eltern dabei Unterstützung erfahren.
Epilog. Zur Vorgehensweise und Methodik
Vor etwa einem Jahr begann ich meine vorbereitete Masterarbeit zu schreiben. Bis hierhin hatte ich bereits Interviews mit vielen Personen geführt, die schwanger werden möchten, diese zum Teil transkribiert und die Arbeit selbst war auf dem besten Wege immer mehr Gestalt anzunehmen. Sie wurde der Abschluss von einigen Semestern Soziologiestudium in Hamburg. Der Abschluss vieler Nächte und Tage über Büchern deren Texte für Hausarbeiten gelesen werden wollten. Der Abschluss vieler Textseiten, die ich in den vergangenen Jahren schrieb und die oftmals niemanden direkt betrafen, da sie lediglich Teil des universitären Laufs waren und nach ihrer Abgabe meist in einen Aktenordner oder auf einer Festplatte verschwanden. Unberührt. Das sollte bei meiner Masterarbeit anders werden. Ich wollte zu einem Thema schreiben, das mich beschäftigt, bewegt und mit dem ich etwas herausfinden kann. Was dieses Etwas genau sein sollte, wusste ich zu Beginn noch nicht in Gänze. Ich wusste nur, dass ich über den Schwangerschaftswunsch schreiben wollte in Zusammenhang mit der Technologie der Präservation von Eizellen, auch als “Social Freezing” bekannt. Das Interesse an der Thematik ergab sich bereits als die ersten Meldungen über das sogenannte ‘Social Freezing’ bei Apple und Facebook herauskamen und ich mich fragte, ob und in wie weit diese Option Einfluss auf Schwangerschaftswünsche haben kann. Darüber hinaus kann dies auch einen direkten Einfluss auf Formen von Solidarität gegenüber anderen Wünschen um Elternschaft haben.
So suchte ich online nach Personen, die selbst ein Kind austragen möchten, um sie für meine Masterarbeit über ihre Konzeption von Mutter*schaft, beziehungsweise Elternschaft zu interviewen. Diese Interviews wurden dann im Anschluss abgetippt und ausgewertet, so dass ich einen reichen Schatz an Daten bekam, mit dem ich arbeiten konnte. So ließen sich einerseits einige Punkte finden, die alle gemeinsam hatten, aber auch sehr individuelle Vorstellungen darüber, wie ihr eigenes Elternsein und der Weg dahin idealerweise geschehen sollten.
Beitragsfoto: ZEISS Microscopy (Rahmen und Zuschnitt: umstandslos | CC BY-SA 2.0 via flickr)
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