von Karin
Wir, das sind mein Mann, unsere zwei Kinder und ich, leben in der Stadt. Die Sorgearbeit für unsere Kinder leisten wir fast ausschließlich zu zweit. Unsere Große geht in den Kindergarten, der Kleine ist noch zu Hause. Wir Eltern arbeiten beide, ich studiere und beide machen wir auch Einiges an Projekten nebenbei. Es klappt, wir organisieren uns gut. Aber es ist viel. Zuviel. Wir bräuchten mehr Pausen für uns einzeln und mehr Pausen zu zweit als Paar.
Eine Freundin brachte mich auf die Idee, uns Wunscheltern/Wunschgroßeltern zu suchen, da ich mir immer wieder einmal ein Stückchen mehr Familienanschluss wünschen würde. Die Idee gefällt mir! Ich stelle mir ein Paar vor, dass zu uns passt, das uns und unsere Kinder gern hat, das uns gerne hilft im Alltag mit den Kids. Ich dachte an eine Anzeige a la: “Junges Elternpaar mit Ronja Räubertochter und Mini-Peppo Straßenkehrer sucht Großeltern zum Verlieben. Seid ihr aufgeschlossene, lustige und warmherzige Menschen die noch ein Platzerl in ihrem Leben und ihrem Herzen für vier wunderbare Menschleins haben, dann meldet euch unter ……..”
Ich stell mir vor wie viel einfacher unser Leben mit so einem Wunschgroßelternpaar wäre. Wenn Terminkollisionen uns nicht jedes Mal zum Schwitzen bringen würden, Paarzeit mehr Platz finden würde und wir einfach auch wieder mehr Erwachsenenleben leben könnten. FreundInnen treffen, zu Veranstaltungen gehen und diese WIRKLICH genießen können, d.h. Dem Kleinen nicht ständig auf den Fersen kleben damit er keinen Blödsinn macht und ohne das Gejammere einer 5jährigen die noch ein Eis will. So fein es ist, dass wir unsere Kinder soviel selbst betreuen, so mühsam ist es daneben noch ich selbst zu bleiben und nicht im Mamasein zu verschwinden. Vor kurzem waren wir beide krank. Also so richtig, mit zwei Wochen echt miserablen Zustand beider Eltern- der Supergau des Elterseins sozusagen. Alle 2+ Eltern wissen wie das ist. Eins ist froh wenn alle satt und gewickelt sind. Die Wohnung ein Chaos-Geschirrspüler ausräumen grenzt ans körperliche Limit, jedoch brauchen die Kinder Teller und Schüsseln zum Essen, alles andere würde zu noch mehr Chaos führen. Die Nerven liegen blank. Ein Streit zwischen den Geschwistern löst böse Schweißausbrüche aus (wobei ich diese Streitereien grundsätzlich nicht ertrage). Und so schleppt eins sich durch den Tag und den nächsten und hofft, dass das Neocitran seinem Ruf als Knockoutmittel, das schnell wieder zum gewohnten Zustand zurückführt, wirkt.
Wie fein wäre es diese Woche gewesen wenn so nette Wunschgroßeltern die energiegeladenen Kids öfters abgeholt und bespaßt hätten und die leidenden Eltern sich erholen hätten können. Ich trau mich wetten, die böse Erkältung hätte uns einige Tage weniger genervt. Ganz allein standen wir nicht da, ein zwei Mal waren FreundInnen und Verwandte hier, haben die Kids zum Spielplatz mitgenommen, die Große konnte auch zweimal mit der Kindergartenfreundin mit nach Hause gehen und die Schwiegermama hat wie immer getan, was sie konnte. Jedoch Tatsache ist, dass unsere FreundInnen ein volles Leben haben und auch die Oma 40h die Woche arbeitet. Kranksein beschränkt sich leider nicht auf die Tage wo, es terminlich reinpasst. Es ist eine weitere Tatsache unserer Zeit, dass viele nicht in der Nähe ihrer Verwandten wohnen, die eigenen Eltern damit meist weit weg sind und viele auch noch voll im Berufsleben stehen. Eine gegenseitige Kooperationsbeziehung würde somit eher die Generation PensionistInnen ansprechen. Oder die Großeltern, bei denen die Kinder samt Enkelkinder weiter weg wohnen. Die Idee ist in meinem Kopf, sie fühlt sich noch träumerisch an. Die Umsetzung würde bedeuten, dass auch wir Platz machen müssten in unserem Leben. So eine Art von Beziehung muss ja auch erst entstehen damit alle was davon haben. Im Moment ist unser Leben so getaktet, dass es mir an Energie fehlt es einfach zu versuchen. In meinen Gedanken stelle ich es mir einmal so wunderbar und großartig vor und dann denke ich mir ob es nicht doch einfacher wäre, eine/n BabysitterIn zu bezahlen. Sozialkontakte pflegen kann auch anstrengend sein. Wir schaffen es ja kaum, unsere Freundschaften zu pflegen, wie sollen wir da ein gänzlich neues älteres Paar in unserem Leben integrieren? Und dann sind da auch meine Ängste, dass es zu Generationskonflikten kommen kann, denn wir essen, arbeiten, leben unsere Beziehung und die zu den Kindern doch sehr modern. Viele Menschen aus früheren Generationen können das nur schwer akzeptieren, wenn junge Leute vegan sind und keine “braven” Kinder haben. Das ist ja nichts Neues. Konflikte zwischen den Generationen gab es ja schon öfters. Unsere Generation sieht sich gewaltigen Herausforderungen gegenüber gestellt. In Zeiten wo eine Bundespräsidentenwahl eine politische Richtungsentscheidung ist oder ein Bundeskanzler bei der Regenbogenparade auftritt, da riecht die Luft nach Revolution. Meine Generation muss sich neben der Flüchtlings und Wirtschaftskrise auch mit dem Wegfall von Halt gebenden Werten und Strukturen beschäftigen. Neue Werthaltungen und Strukturen müssen erst geschaffen werden. Und die Gefahr, dass diese wiederum zu traditionalisiert entstehen bzw. von rechtsradikalen Gedankengut überschwemmt werden, ist hoch. Für mich könnten diese ausgewählten Großeltern demnach nicht nur unseren Kindern eine Bereicherung in ihrer Entwicklung und ihrem Kinderleben sein. Darüber hinaus würde ich mir für uns Erwachsene zwei Menschen wünschen, die uns ein Stück halten können, uns eine seelische Stütze sind und uns und unsere Werte und unsere Art zu leben akzeptieren und respektieren können. Im besten Fall uns richtig gut finden so wie wir sind. Ich weiß, dass die Idee mich weiterhin verfolgen wird. Vielleicht kann ich meine eigenen Gedankenkonstrukte einmal über Bord werfen und mich der Träumerei hingeben.
Erschienen in: generationen.
Bild: Fouquler. Rahmen und Schnitt: Umstandslos