Von Heidi
Mein Sohn (gerade 3) trägt Windeln. Aus Überzeugung – so ist jedenfalls mein Eindruck zwischendurch. Ich finde das ok. Ich halte ihn deswegen nicht für überdurchschnittlich unterentwickelt und ich denke, er wird mir sagen, sobald er sein Geschäft ganz standesgemäß auf der Toilette verrichten möchte. Er sagt mir nämlich sonst auch alles… ziemlich unverblümt, direkt und gerade heraus. Ganz, wie es sich für einen 3-jährigen gehört.
Gerüchten aus der Familienküche zur Folge bin ich (und meine 5 Geschwister) bereits „schreifrei“, abgestillt und sauber auf die Welt gekommen. Schreckliche sogenannte Macken kamen erst in der Pubertät – diese hintertückische Zeit, in der mensch völlig die Kontrolle über sein Benehmen verliert. Das klingt jetzt unglaublich zynisch – ich weiß. Ist auch ein bissl so gemeint, ganz ehrlich.
Damit hat mensch mir bereits von den ersten Tagen meiner Schwangerschaft an ein wenig Erfolgsdruck auf die Schultern gelegt. Diesen spüre ich ständig. weil ich will es ja gut machen, das mit der Mutterschaft.
Mich stört es nicht, meinen Sohn „noch immer“ zu wickeln. Ich vertraue ihm und ich weiß, er wird das schon irgendwann machen – also dorthin, wohin es gehört.
Was mich stört ist die ständige Fragerei – also die Frage selbst, die Tonalität und ein wenig auch die Wortwahl. Mir war vor meiner Mutterschaft nicht klar, wie viel Aufmerksamkeit und Bedeutung der Tatsache gewidmet werden kann, ob Kind noch in die Windel scheisst. Manchmal ist das die erste Frage… noch bevor danach gefragt wird, wie es einem geht wird erfragt, ob das Kind schon echte Fortschritte in Richtung Unabhängigkeit von Windel und Feuchttuch gemacht hat. Ist das ok?
Eigentlich ist die Windelfragensache ja nur eine von so vielen im neuen Leben als Eltern. Wie oft hab ich mich gefragt, wie es sich gehört, wie es immer war und wie es sein sollte. Und wie oft musste ich alle Kraft verwenden um wieder zu meinem Vertrauen in mein Kind und mich zurück zu finden.
Es lässt sich nicht „standardisieren“ – niemand ist gleich und niemand ist verkehrt. Beim Kind sein, beim Wachsen und beim Erwachsen werden.
Ich finde das gut so. Und ich vertraue darauf. Ich frage ja auch nicht ständig nach ob du dir eh deine Hände nach dem Toilettengang gewaschen hast – es ist deine Sache, ganz egal wie ich das finde…
So, wie soll ich nun damit umgehen? Telefon stumm stellen? Meinem Kind die Windel „abgewöhnen“ weil andere es jetzt für die rechte Zeit halten? Notlügen erfinden?
Gespräche dazu habe ich bereits geführt – diese verliefen weniger fruchtbar als furchtbar. Am Ende bekomme ich oft den Eindruck, dass mensch mir vermitteln möchte, ich verwöhne mein Kind zu sehr. Ich bin durchaus kritikfähig – darum ganz ehrlich, ist das verwöhnen?
Wenn mich das Thema schon so beschäftigt, wie geht es dem kleinen Mensch? Druck für etwas wo eigentlich keiner sein sollte… wie kann ich das positiv beeinflussen?
Den Expertinnenrat zu Heidis Frage findet ihr in zwei Wochen hier: “Ist er schon trocken?”
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Heidi, 1980 geboren, Sohn L. 3 Jahre, lebt im grünen Graz mit Ehepartner. Geschäftsleiterin eines gemeinnützigen Vereins, begeisterte Online-Leserin und guter Schokolade nie abgeneigt.
Bild: Heidi. Rahmen umstandslos.
Erschienen in: generationen.
Das geht ja im Grunde genommen wirklich niemanden etwas an, is einfach intim, würde ich so sagen. Hast Du mal zurück gefragt was es die Leute angeht? Oder warum Sie das fragen? Zur Not einfach sagen “Stop, Themawechsel” oder sowas in der Art. Kann dich niemand zwingen darüber zu reden.
Haha, der Post könnte von mir stammen. Manchmal bekomme ich sogar Links mit Tipps zum Töpfchen-Training von Verwandten zugeschickt. Am Anfang hat mich das ziemlich auf die Palme gebracht (die Fragerei geht jetzt schon eine Weile, da die Ostverwandschaft darauf besteht, dass wir ja alle schon mit 1 Jahr “sauber” gewesen wären). Irgendwann wird mein Sohn sich dazu entschließen aufs Klo zu gehen. Ich kenne zumindest niemand, der sein Leben lang in Windeln gemacht hat.
Ich selber war ja auch schon mit 6 Monaten sauber (haha!! die Fotos aus meiner Kleinkinderzeit sprechen eine ganz andere Sprache). Wenn ich in die Hosen pinkelte, dann nur mit Absicht und aus purer Böswilligkeit, wenn es nach meinen Eltern geht.
Anyway, mein Kurzer hat erst mit 4.5 auf die Windel verzichtet… dann dafür endgültig und ohne je einen Rückfall oder “Unfall” zu haben. Da war mein mütterliches Versagen monatelang Hauptthema bei den familiären Klatschrunden.
Und immer dieses “sauber” sein überhaupt: Ist ein Kind das Windeln trägt immer schmutzig? Was heisst “schmutzig” wenn das Kleinkind malt, bäckt, auf dem Boden spielt, Erde transportiert usw.? Ich kann es nicht mehr hören.
Vielen Dank für diesen Artikel und für umstandslos überhaupt. Als Binationale, die immer in Frankreich gelebt, gearbeitet, ihr Kind erzieht usw. kenne ich manche Lagen nur vom Hören her (deutsche/österreichische Elternzeit, “Vereinbarkeit”, usw.) aber finde viele Denkanstöße.
Ich finde es so beängstigend, dass die menschen nicht reflektieren können.
Zwang und druck, erpressung und bestechung haben im umgang mit kindern nichts zu suchen. Dass alles bricht sie!!! Wenn menschen ihre kinder gebrochen haben ist das schon schlimm genug, aber es auchnoch als erfolg darzustellen und von anderen zu verlangen ist eine frechheit!
Diese menschen schauen sich auch keine pädagogikbücher an, in denen auch viel unsinn steht…
Fakt ist, dass kinder, die schon mit unter 1,5 aufs töpfchen gezwungen werden, laut studien und statistiken(largo, babyjahre-finde es gerade nicht..), eher die kinder sind, die mit 11 noch ins bett machen, probleme mit der “normalen” ausscheidung von fekalien haben. Kinder können ihre schließmuskeln frühestens im alter von 1,5 steuern. Es vorher von ihnen zu erwarten ist schlichtweg bescheuert, egal, welchen erziehungsstiel mensch bevorzugt.
Meine große wurde vom einen auf den anderen tag trocken, ohne zwang, tags wie nachts. Allerdings hat sie ein halbes jahr danach aus interesse am vorgang auf ihrem kinderstuhl ein paar mal gepinkelt, weil sie es im sitzen am besten verfolgen konnte. Da war sie zwei jahre und vier monate, und gerade große schwester geworden. Die kleine ist gerade dabei die windel zu verweigern, sie ist nachts trocken und tags über geht pipi etwa vier mal daneben, ich sehe es eher so, dass sie so fünf mal am tag aufs klo geht, sie will keine windel, nun gut es ist sommer, nehmen wir kräftig wechselsachen mit und ich wasch nun ihr zeug schnell mit der hand aus. Jedenfalls werde ich sie zu nichts zwingen, wozu sie nicht bereit ist.
Die kinderplastiktoiletten, meiner kinder wurden je angeschafft, als sie sich anfingen dafür zu interessieren, sie standen ab da zur verfügung und wurden zunähst bespielt. Und irgendwann steht das kind dann da und sagt, ich möchte da rauf, oder geht einfach alleine.
Gut, fertig…
Es kommt mir vor, wie das mit dem stillen.
“Was, du stillst immernoch?” Hören stillende mütter ab dem vierten lebensmonat des babys. Ich hatte glück und mit dem stillen keine probleme, 16 und 23 monate lang, aber meine umwelt hatte die!!!
Lovis
mein sohn wird am mittwoch seinen 4. geburtstag mit windel feiern. so what! mich nervt es zwar schon, diese riesenkind zum wickeln hochzuwuchten, aber irgendwann werden wir das auch hinter uns haben. in der kindergruppe sind zum glück auch alle betreuerinnen sehr entspannt. es ist echt kein drama 🙂
Wie sich das anhört, machst du das doch alles ziemlich gut. Lass dich, soweit wie möglich, nicht stressen! Ich finde, wenn mensch als Eltern selbst kein Bock mehr auf die Wickelei hat, darf das dem Kind auch mitgeteilt werden. Schließlich wird so eine Kinderkacke mit den Jahren eher ekliger. Ich finde daher auch Verhandeln und Bestechen nicht schlimm. Aber es ist eben eine Sache zwischen dir und dem Kind. Wer nicht wickelt, hat den Mund zu halten. Außerdem finde ich drei Jahre auch kein Alter – bei meinen beiden Kindern hörte die Windelei auch so irgendwann mit drei auf, aber wie schon an einigen vorherigen Kommentaren zu erkennen ist: Das “Sauberwerden” ist etwas, das alle groß beschäftigt, solange es noch nicht passiert ist. Sobald das Kind “sauber” ist, vergisst mensch völlig, wann es soweit war – es ist einfach kein Meilenstein, der einer_m mit Datum im Gedächtnis bleibt.
Unser Großer hat sich auch ewig dagegen gewehrt. Wir haben nie Druck gemacht, es aber immer wieder probiert. Seit 2 Wochen hat er jetzt zu Hause keine Windel mehr an, seit 1 Woche auch wenn wir rausgehen. Bisher kein einziger Unfall passiert. Ich denke auch: Lasst die Kids einfach machen. Hab bisher noch niemanden gesehen der mit Windel eingeschult wurde. 😉
[…] zehn Tagen hat Heidi sich gefragt, wie sie mit unerbetenen Kommentaren zum Windeltragen ihres 3 Jahre alten Kindes umgehen soll. Hier […]
Dein beitrag inspirierte mich gleich zu zweien, danke!
https://lovisraeubermutter.wordpress.com/2016/06/17/windelfrei-triffts-besser-nun-habe-ich-kein-windelkind-mehr/
https://lovisraeubermutter.wordpress.com/2016/06/17/windelfrei-triffts-besser-die-zwei-phasen-2/
Lovis
[…] Ach herrjeh, wie kommt mir das bekannt vor und wie bin ich froh, dass wir wenigstens dieses Thema hinter uns haben (leider folgen andere “WAS?! das kann er IMMER noch nicht?!”s): Ist er denn schon sauber? […]
Alles braucht seine Zeit und man ist niemanden Rechenschaft schuldig. Es gibt einfach Menschen, die sich mit Dingen beschäftigen, die sie nichts anzugehen haben.
[…] Ach herrjeh, wie kommt mir das bekannt vor und wie bin ich froh, dass wir wenigstens dieses Thema hinter uns haben (leider folgen andere „WAS?! das kann er IMMER noch nicht?!“s): Ist er denn schon sauber? […]