Mutter mit 20 und 40 – same same but different

von cloudette
„Du könntest ja eigentlich auch schon Oma sein!!!“, “Krass, noch mal von ganz vorne anzufangen!!!“, „Du bist ja mutig“ – das waren einige der Kommentare, die ich während der Schwangerschaft mit Kind 2 zu hören bekam. Mehrfach geäußert natürlich, denn die Tatsache, dass ich mit 40 noch einmal ein Kind bekam, hat viele meiner Kolleg/Freund*innen und Bekannten beschäftigt. Nicht wegen meines schon etwas fortgeschrittenen Alters, sondern weil ich bereits ein Kind hatte, das zu diesem Zeitpunkt fast 20 Jahre alt war.
Als ich Anfang der 1990er schwanger wurde, war ich ebenfalls 20 Jahre alt. Ich war gerade mitten in einem sozialen Jahr und die erste in meinem Freund*innenkreis, die ein Kind bekam. Ich freute mich nach anfänglichem Schock auf das Baby und zog zu meinem Freund in seine Land-WG, mit etwas mulmigem Gefühl im Bauch. Denn von Zusammenziehen war bis dahin nicht die Rede gewesen – schon gar nicht als Eltern. Was hieß es, Mutter zu sein? Mir schwirrten Bilder im Kopf herum, die nicht sehr positiv waren. Irgendwie war Muttersein doch ganz schön spießig, es klang nach Zuhause bleiben, sich aufgeben, nur noch über die Kinder reden. Außer in der Generation meiner Mutter kannte ich kaum Frauen, die schon ein Kind hatten, und an denen ich mich orientieren konnte und wollte. Feminismus und Mutterschaft waren in den 90ern – zumindest in meinem Umfeld – zudem zwei Themen, die so gar nicht zusammenpassten. Die meisten feministischen Frauen, die ich kannte, waren im Frauen-Lesbenreferat oder sonstwie politisch aktiv und verfolgten eher eine Abgrenzungspolitik zu Männern. Kinder hatte keine. Ich setzte viel daran, möglichst wenig als Mutter abgestempelt zu werden, und fing an zu studieren, um genauso wie meine Mitbewohner*innen das Haus zum Studium verlassen zu können. P. ging ab 11 Monaten in die Kita des Studiwerks und lief überall so mit.
Mit meinem Freund stritt ich viel. Ich sah nicht die Bohne ein, warum ich mich als Frau selbstverständlich um Haushalt und Kind kümmern sollte. Mehr als einmal musste ich mir anhören, dass ich eine olle Meckertante sei. Als P. 4 war, zog ich mit ihr in eine andere Land-WG und erklärte mich als alleinerziehend. Ich fand es einfacher, die Sorgearbeit ganz klar alleine zu machen, als ständig darum zu kämpfen, dass ihr Vater seinen Teil daran übernahm. Bis P. 18 Jahre war, wohnten wir zusammen und wir haben bis heute eine enge, sehr gute Beziehung.
Mit 38 kam ich mit meinem jetzigen Freund zusammen und eigentlich war ein Kind kein großes Thema – bis ich schwanger wurde. Ich hatte zwar in den Jahren davor immer mal wieder über ein weiteres Kind nachgedacht, allerdings konnte ich mir nicht vorstellen, noch einmal diesen Kampf um eine gleichberechtigte Beteiligung des Vaters an der Sorgearbeit durchzufechten, um dann womöglich wieder alleine die ganze Arbeit zu übernehmen Meine größte Bedingung bei diesem zweiten Kind war also, dass wir auf jeden Fall eine 50:50-Regelung treffen. Angst hatte ich trotzdem. Denn wer weiß schon, was dann wirklich passiert, wenn das Kind erst mal da ist. 20 Jahre nach P. kam dann M. zur Welt. Von Beginn an teilen wir uns Sorgearbeit gleich auf. Das Schöne ist, dass nicht nur ich darauf achte, sondern mein Freund ebenso. Für M. ist es selbstverständlich, dass wir beide kuscheln, ins Bett bringen, trösten, rumtoben, Frühstück richten, Popo abwischen, Zähne putzen, rumstrolchen, auf dem Spielplatz abhängen oder zu Hause bleiben, wenn es krank ist. „Mapa“ nennt es uns oft.
Vieles hat sich in den letzten 20 Jahren geändert. Wir wohnen nicht mehr in Haus- bzw. Wohngemeinschaften, sondern zu dritt als Kleinfamilie in der Stadt (was wir aber beide gerne ändern möchten). Mit Mitte 40 gehören wir nun zu den eher älteren Eltern. Ich habe längst nicht mehr das Gefühl, mich von meinem eigenen negativen Mutterbild abgrenzen zu müssen. Ich bin Mutter – und trotzdem zu einem großen Teil einfach „ich“. Mutterschaft hat sich als feministisches Thema etabliert, es gibt zahlreiche Blogs von feministischen Müttern, Twitter um sich Rat zu holen und sich auszutauschen. Es ist nicht mehr komplett selbstverständlich, dass Frauen die Carearbeit übernehmen müssen. Theoretisch zumindest. Es gibt inzwischen viel mehr Väter, die sich „auch kümmern“. Aber praktisch ist es in fast allen Familien, die ich kenne, weiterhin der Regelfall, dass die Frauen den Großteil der Arbeit übernehmen – und zwar völlig unabhängig von einer ökonomischen Notwendigkeit (also auch, wenn beide gleich viel oder die Frau mit ihrer Erwerbstätigkeit prinzipiell mehr verdienen würde). Das hat auf individueller Ebene viele gut nachvollziehbare Gründe, zeigt aber auch, dass es letztendlich eben doch keine so individuelle Entscheidung ist, wie oft behauptet wird. Das zeigt auch eine erst kürzlich erschienene Studie (https://www.akweb.de/ak_s/ak615/24.htm) von Speck und Koppetsch zur ungleich verteilten Hausarbeit in „egalitären Partnerschaften“.
P. lebt heute in einem Wohnprojekt und die Geschwister sehen sich all paar Wochen, wenn P. zu Besuch kommt. Einen gemeinsamen Alltag haben sie natürlich nicht, was schade ist. Rein vom Alter her könnte P. die Mutter von M. sein – aber zum Glück wurde ich noch nie für die Großmutter gehalten. Die Vorstellung, selbst theoretisch Oma sein zu können, fühlt sich für mich erstmal etwas komisch an. Aber ich fand es mit 20 schließlich auch komisch, Mutter zu sein – von daher: Das wird dann schon. Meine Eltern, die ich auch mit Mitte 40 zu Großeltern gemacht habe und die zu dem Zeitpunkt noch meinen 10-jährigen Bruder im Haus hatten, haben das ja auch prima hingekriegt. Und außerdem könnten dann zumindest die beiden Kleinen miteinander spielen, wenn das für die Geschwister schon nicht möglich war.
cloudette, Mitte 40, 2 Kinder (1991, 2011), Blog: cloudette.net, Twitter: cloudette_
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Beitrag erschienen in: generationen.
Beitragsbild © cloudette

7 Replies to “Mutter mit 20 und 40 – same same but different”

  1. […] Vor ein paar Wochen fragte mich die Redaktion von umstandslos – magazin für feministische mutterschaft, ob ich für ihre Ausgabe „Generationen“ etwas schreiben könne, schließlich seien meine beiden Kinder ja fast eine Generation auseinander. Mir war bei meiner spontanen Zusage nicht klar, was für große Schwierigkeiten ich mit dem Text haben würde. Was habe ich mir eins abgebrochen, selten ging mir etwas so schwer von der Feder. Wochenlang habe ich eigentlich nur prokrastiniert („ist ja noch Zeit“), dann stundenlang auf ein weißes LibreOffice Dokument gestarrt. In meinem Kopf waren 5234 Storys aus den letzten 20 Jahren, doch was sollte, was wollte ich davon schreiben? Von meinem jetzigen Alltag mit einem Kind, das 5 Jahre ist, und einem, das längst selbstständig als junge Frau ihrer Wege geht? Von meiner Vergangenheit, als ich früh Mutter wurde und mich irgendwann alleinerziehend irgendwie durchwurstelte? Von den diversen Krisen, die das Mamawerden, Beziehungen, Alltag so mit sich bringen können? Was davon in einen Text packen? Wie schreiben, so dass die Gratwanderung zwischen „das mag ich nicht öffentlich schreiben“ und „das interessiert niemanden“ gelingt? In meinem Entwurfsordner dümpeln sicher 3 unterschiedliche Versionen herum, die ich jeweils x-fach umgeschrieben habe. Irgendwann habe ich einen leicht mäandernden Text abgegeben – und ihn nicht mehr durchgelesen. Ihr findet ihn hier. […]

  2. Christina sagt:

    Ich frage mich ja, warum Ihre 20jährige Tochter in einem Wohnprojekt leben muss, wenn das alles so reibungslos gelaufen ist…..

  3. Anna Lisa sagt:

    Ich kann an einem Wohnprojekt erstens nichts Negatives erkennen und außerdem steht im Text nicht, dass die ältere Tochter dort leben “muss”.
    Impliziert junge Mutterschaft gleich, dass etwas nicht reibungslos verläuft?

  4. cloudette sagt:

    Hallo Christina, ich musste jetzt echt stutzen. Denn warum sollte das jetzt ein Problem sein? Ich finde es sehr toll, dass meine Tochter, die im übrigens inzwischen 25 ist, sich entschieden hat, in einem Wohnprojekt zu wohnen, und kann mir für sie derzeit kaum etwas besseres vorstellen. Aber vielleicht hast du andere Vorstellungen, was “Wohnprojekt” bedeutet: Es handelt sich hier um eine ziemlich große Gruppe von Leuten (ca. 60, glaube ich), die in unterschiedlicher Besetzung seit Mitte der 1980er gemeinsam ein sehr großes Haus in der Stadt bewohnt, das inzwischen auch im Besitz der Gruppe ist. Es wohnen dort alle möglichen Leute unterschiedlichen Alters (von der ersten “Wohnprojekt-Generation” bis hin zu Babys) in verschiedenen WGs. Manche leben sehr kollektiv, manche machen eher ihr eigenes Ding, das kann jede für sich entscheiden.
    Und: Natürlich ist bei mir/uns nicht alles reibungslos gelaufen, das habe ich ja auch nicht geschrieben. Was mir wichtig ist: Unsere Beziehung ist insgesamt sehr innig und gut und darüber bin ich sehr froh.

  5. Ich denke bzgl. des Wohnprojekts gab es eine Begriffsverirrung. In Ö könnte mensch darunter auch leicht betreute Jugend-WGs verstehen.

  6. theresa sagt:

    Junge Mutterschaft führt, statistisch gesehen, nicht unhäufig zu Problemen. Kann ich für mich selbst und die Kinder meine besten Freundin bestätigen, die wir beide ebenfalls mit 20 Kinder hatten. Ich würde das nie wieder so machen wollen, man ist noch so unerfahren und jung, finanzielle und berufliche Fragen längst nicht geklärt, wenn man Pech hat, pfuschen einem ständig die Großeltern ins Handwerk oder man ist selbst noch nicht im Erwachsenenleben angekommen und trägt noch unausgegorene Konflikte aus seiner Jugend mit sich rum. Die Väter erweisen sich auch oft als überfordert und/oder machen vom Acker. Also wirklich nicht zu empfehlen, ich würde jeder massiv davon abraten, so früh Kinder zu bekommen.
    Mit Kind 2, das ich letztens mit 40 bekommen habe, ist alles wunderbar entspannt. Beziehung passt, Finanzen passen, man ist nicht mehr ganz so blöd wie mit 20…alles wunderbar.

  7. Margarethe sagt:

    Junge Mutterschaft kann in der Tat sehr probematisch sein. Sehe ich bei meiner Arbeit in einem Jugendamt leider immer wieder.

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