Eine wundervolle Welt rund um die Menstruation – eine ZukunftsGeschichte

von Kathrin
Es kommt einmal, das Jahr 2045. Ich habe eine zweijährige Tochter und seit kurzem menstruiere ich wieder. Ich habe bei anderen Müttern mitbekommen, dass sie entweder gleich nach der Geburt menstruieren oder eben dann zirka nach einem Jahr. Wir Frauen sprechen stolz über die Menstruation und kennen uns daher sehr gut mit ihr aus. Durch die Auseinandersetzung mit der Menstruation ist sie ein wesentlicher Bestandteil der Identität jeder Frau.
Für meine Tochter ist das Bluten der Frauen in unserer Umgebung eine Selbstverständlichkeit. Eingebunden in ein generationsübergreifendes Frauenfest, welches vier Mal im Jahr stattfindet, ist sowohl sie als auch ich ein Teil davon. Jedes Mal werden die jungen Frauen, die gerade zu menstruieren angefangen haben, besonders gewürdigt und gefeiert. Wir tanzen und singen gemeinsam. Der Stolz ist in die Gesichter der jungen Frauen geschrieben. Menstruationsblut ist die Essenz, die wir zum Leben brauchen und als diese wird sie gefeiert. Wir spüren und teilen die verschiedenen Qualitäten, die jede Lebensphase mit sich bringt und stärken uns gegenseitig, diese im Alltag zu leben.

tumblr_nq5zwoUsXU1ru5h8co1_540via http://fearlessfeminism.tumblr.com

Heute war ich in der Drogerie und da ist mir aufgefallen, dass alle Binden, Tampons und Menstruationstassen aus dem Sortiment genommen worden sind. Ich sage dir, die freie Menstruation ist so selbstverständlich wie die freie Spielentwicklung bei den Kindern. Durch diese Kombination hat die freie Menstruation auch ihre Möglichkeiten. Meine Tochter weiß, was sie selbst kann und wo sie sich sicher fühlt. Ich kann daher so oft wie es notwendig ist auf die Toilette gehen und das Blut ablassen. Wir Frauen wachsen mit einem starken Bezug zum eigenen Körper auf und spüren daher unsere inneren Geschlechtsorgane sehr gut, dass es ganz klar ist, dass wir keine Menstruationsprodukte mehr verwenden.
Von klein auf ist jede Frau mit ihrem eigenen Körper stark verbunden. Gleich nach der Geburt respektieren wir Großen den Körper der Kinder und so ist ein achtsamer Umgang in der Pflege selbstverständlich. Babys bekommen beim An- und Ausziehen gesagt wann ihr Körper berührt wird, wodurch diese präsent bei ihrem Körper sind. Dies ist der Anfang von einem intensiven Bezug zum eigenen Körper.
Da wir Frauen wissen, worum es sich bei der Menstruation handelt und wir sie in unsere weibliche Identität integriert haben, sprechen auch die Männer sehr klar darüber. Die Fragen der jungen Männer, die auch in einem generationsübergreifenden Männer-Netzwerk sind, werden authentisch beantwortet. Es wird offen und transparent darüber gesprochen und die Männer würdigen die Menstruation und den Zyklus. Auch die Männer spüren, wann es Zeit ist sich zurückzuziehen und wann es Zeit ist, nach außen zu gehen oder neue Ideen zu kreieren.
Du wirst es kaum glauben, aber die Menstruation ist in unsere Gesellschaft eingebunden. Es gibt drei Tage im Monat arbeitsfrei, wenn es im Zyklus dran ist, sich zurückzuziehen, sowohl für Frauen als auch für Männer. Bei der Frau fällt dies oft mit der Zeit der Menstruation zusammen. Dadurch sind alle fröhlicher und entspannter bei der Arbeit. Durch die freie Menstruation ist es ganz normal, dass wir Frauen öfters auf die Toilette gehen und ganz in unserer Zeit arbeiten. Das Leben ist insgesamt langsamer geworden, indem das Zyklische wieder eingezogen ist. Wir arbeiten alle für ein Gemeinwohl und dadurch haben die individuellen Bedürfnisse einer Frau rund um die Menstruation ihren Platz.
Kannst du dir diese Welt vorstellen?
Kathrin Sieder: 1983 geboren. MenstruationsBegleiterin, Bloggerin (kathrinsieder.at) und Gründerin des Vereins MenstruationsNetzwerk. 1 Tochter (2014). Mit dem Vater der Tochter in einer Beziehung. Lebt in Österreich/St. Andrä-Wördern.
(c) Beitragsbild: Slava Murava Kiss via flickr CC BY-NC 2.0
Erschienen in: Utopien

10 Replies to “Eine wundervolle Welt rund um die Menstruation – eine ZukunftsGeschichte”

  1. Cornelia sagt:

    Liebe Kathrin, danke für deine Utopie. Ich glaube, ich verstehe grundsätzlich, wie du diese meinst (als Empowerment usw), und für jene Frauen, für die das so passt, ist das schön. Ich möchte aber trotzdem darauf hinweisen, dass es für manche Frauen möglicherweise eher eine Dystopie ist, wenn die Menstruation zum wesentlichen Bestandteil ihrer Identität erklärt wird. Zum einen: Nicht alle Frauen menstruieren. Zum anderen: Auch wenn ich menstruiere, will ich das Bluten einfach nicht mögen können, ohne dadurch mein Frausein abgesprochen zu bekommen. Oder es kann mir egal sein und insofern auch nichts mit meiner Identität zu tun haben. Ich finde, das sind wichtige Aspekte, wenn über Menstruation gesprochen wird und deswegen stört mich das Normative an der “Wir-Form” in dem Text. Eine solche Welt entspricht nicht meiner Utopie, weil der Natürlichkeitsdiskurs um “Weiblichkeit” schon viel Schaden angerichtet hat. Lg

  2. katrin sagt:

    wenn man über 40 ist, 4 kinder geboren hat, und unter einem myom leidet, das einem unglaublich starke blutungen beschert, die wiederum eine massive eisenmangelanämie hervorrufen, dann tut man sich mit dem positiv sehen der menstruation schon ein bisschen schwerer, und das klo würde man in einer binden- und tamponfreien welt nicht noch öfter aufsuchen, sondern gar nicht mehr erst verlassen. es gibt halt nicht nur idealformen, ideal körper und ideal blutungen, sondern auch dinge, wo das einfluss nehmen mit noch so viel körpergefühl einfach echt schwierig bis unmöglich ist.

  3. einstrich sagt:

    Was ich an dem Text begrüßen möchte, ist, dass auch die Männer über den weiblichen Zyklus Bescheid wissen sollten. Immer wieder erlebe ich junge Männer (ich bin Lehrerin, die rein gar nichts wissen, außer dass Frauen irgendwann mal bluten und dann meist zickig sind. Der Bezug zur Fruchtbarkeit fehlt völlig … daher ja zu mehr Offenheit, aber bitte lass die Tampons im Regal ?

  4. Schnucki sagt:

    Nein, kann ich nicht. Ich hatte seit ich 20 bin 4 mal meine Periode. Um schwanger zu werden. Ansonsten machte ich Langzeitzyklus mit Pille über 10 Jahre hin weg. Jetzt nach der Geburt Hormon Spirale. Und ich bin sehr zufrieden damit. Da ich aus Überzeugung hormonell verhüte, habe ich eh keinen Zyklus. Eine künstliche Entzugsblutung ist aus meiner Sicht überflüssig und nutzlos.

  5. Lovis sagt:

    Viele körperliche beschwerden bei der regelblutung, sind psychischer natur. All diese sind in dieser utopie ausgeräumt. Danke!!!
    Meine eigenne menstruation ist sehr wechselhaft, vir den geburten hatte ich ganze drei tage, mit einem tag unterbrechung, leichte blutungen in einem rythmus von etwa 23 tagen. Nach dem kaiserschnitt dann plötzlich 8 tage blutungen, die eine tampongröße ervorderten, die fast einem dildo gleicht. Vorher hatte ich in einer utopie ohne tampons und binden gelebt!!!
    Nach der zweiten, einer natürlichen geburt, weiß ich nun nichtmehr was auf mich zukommt, drei bis 7 tage wechselhaft. Es würde mich nicht überraschen, wenn fast alle frauen in dieser utopie keine probleme mit den menstruationsproduktfreien regalen hätten, da durch ihre umwelt alle quellen dieser symptome ausgeräumt wären…
    Vieleicht könnten diese menstruationsprodukte als medezinische produkte noch erhältlich sein und von der kk übernommen werden???
    Lovis

  6. ich bin beim thema menstruation immer relativ emotionslos, auch wenn ich einen sehr schönen umgang mit dieser zeit gefunden habe. was mir an der vorstellung von dir gefällt ist dieser gedanke, dass ein zyklus das tempo bestimmt, sozusagen. ich muss da mal weiter drüber nachdenken, aber da regt sich was in mir. 🙂 danke für den text, schöner anstoss!

  7. Strandgut sagt:

    Ehrlich gesagt klingt für mich eher nach einem Albtraum. Seine Identität im wesentlichen über Körperfunktionen, als über individuelle Interessen, Talente, Wünsche usw. zu definieren erschließt sich mir nicht. Ich sehe die Menstruation einfach nicht als “wesentliche[n] Bestandteil [meiner] Identität”.
    Bin ich nach den Wechseljahren keine Frau mehr? Sind Transfrauen keine Frauen, weil sie nicht Menstruieren? Sind an Krebs erkrankte Frauen nach einer Hysterektomie keine Frauen?
    Das ist absurd.
    Als Biologin habe ich keine Probleme über Menstruation und sonstige Körperprozesse zu sprechen, aber ich finde es weder notwendig noch sinnvoll mein Leben danach auszurichten. Ich fände es außerdem alles andere als angenehm mich ohne Hygieneartikel, während meiner Menstruation, durch die Welt bewegen zu müssen. Auch fände ich es schön mich zurückziehen zu müssen, oder meine Einrichtung voll zu bluten, oder gar alle fünf Minuten auf Toilette zu rennen – ich persönlich habe keinen “Menstruationsdrang”, (wie einen “Harndrang”) oder einen “vaginalen Schließmusskel”, der es mir ermöglicht das “Bluten” zu kontrolieren. Hinzukommt, dass meine Menstruation sehr stark ist, wie bei meiner Mutter auch, Hygieneartikel machen das ganze für uns erst erträglich. Die Menstruation ist für mich einfach ein Biologischerprozess, mehr nicht. Ja, mich stört das Menstruieren tatsächlich auch, Schmerzen und PMS sind in aller Regel nichts worüber man sich freut. Hätte ich wegen den Nebenwirkungen von Hormonpräparaten keine Bedenken, würde ich ohne Zweifel einen Langzeitzyklus bevorzugen, wie Schnucki.

  8. […] Es kommt einmal, das Jahr 2045. Ich habe eine zweijährige Tochter und seit kurzem menstruiere ich wieder. Ich habe bei anderen Müttern mitbekommen, dass sie entweder gleich nach der Geburt menstruieren oder eben dann zirka nach einem Jahr. Wir Frauen sprechen stolz über die Menstruation und kennen uns daher sehr gut mit ihr aus. Durch die Auseinandersetzung mit der Menstruation ist sie ein wesentlicher Bestandteil der Identität jeder Frau. …weiterlesen auf umstandlos.com […]

  9. Judith sagt:

    Eine sehr schöne Geschichte! Und ja, ich finde es toll, daß da einmal ganz auf das Tabu Menstruation fokussiert wird – ist eben eine Utopie.
    In indigenen Gesellschaften gibt es vieles nicht, was bei uns “nervt”: Regelschmerzen, PMS und Launenhaftigkeit vor der Regel haben viel mit der Umgebung zu tun, in der wir Frauen leben und aufwachsen. Deshalb ist es nicht so, daß wir Angst haben müssen, über unsere Biologie definiert zu werden, sondern davor, überhaupt definiert zu werden – von wem denn?
    Wenn eine Frau ihren Träumen freien Lauf läßt, weil ihr ein Thema wie in diesem Fall der Umgang mit der Menstruation wichtig ist und sie Utopien kreiert, so hat sie jedes Recht dazu. Wenn eine patriarchale Gesellschaft und ihre männlichen Ideologen Frauen auf irgendwelche bioolgischen Funktionen reduzieren und ihnen dafür segnende Gesten reichen, dann schaut die Sache ganz anders aus .

  10. […] Es kommt einmal, das Jahr 2045. Ich habe eine zweijährige Tochter und seit kurzem menstruiere ich wieder. Ich habe bei anderen Müttern mitbekommen, dass sie entweder gleich nach der Geburt menstruieren oder eben dann zirka nach einem Jahr. Wir Frauen sprechen stolz über die Menstruation und kennen uns daher sehr gut mit ihr aus. Durch die Auseinandersetzung mit der Menstruation ist sie ein wesentlicher Bestandteil der Identität jeder Frau. …weiterlesen auf umstandlos.com […]

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