von Lisa
Einblicke in die Studie „Zwischen Geschlechterdemokratie und Männerrechtsbewegung – Geschlechterpolitische Zugänge in der österreichischen Männerarbeit“, die 2014 vom Institut für Männer- und Geschlechterforschung von Elli Scambor und Anna Kirchengast unter Mitarbeit von Lisa Mittischek im Auftrag des Landes Steiermark durchgeführt wurde.
In den letzten zwei Jahrzehnten entstanden im gesamten europäischen Raum viele Initiativen, Bewegungen und Plattformen, die sich mit dem Thema „Männer und Gleichstellung“ beschäftigen.
Die Inhalte der verschiedenen Initiativen und ihre geschlechterpolitische Verortung sind teils sehr unterschiedlich. In der Studie „Zwischen Geschlechterdemokratie und Männerrechtsbewegung“ wurde deshalb unter anderem „der Frage nachgegangen, wie sich Einrichtungen, Initiativen und Plattformen in der österreichischen Männerarbeit zu Geschlechterfragen positionieren.“ (Scambor, Kirchengast 2014)
Das zunehmende Einbeziehen von Männern und Männergruppen in den letzten 10 Jahren in gleichstellungspolitischen Strategien auf der EU- Ebene kennzeichnet die Bedeutsamkeit dieser Fragestellung, die bisher in Österreich nicht untersucht wurde.
In dieser Studie wird an einen geschlechterdemokratischen Zugang angeknüpft, der die häufig von Männerrechtsgruppen formulierte antifeministische Männerdiskriminierungsperspektive (also die Perspektive, dass Männer in unserer Gesellschaft im Grunde die diskriminierte Gruppe sind) kritisch reflektieren möchte.
Im Rahmen der Untersuchung wurden ein großer Teil der Männerinitiativen in Österreich erhoben und nach verschiedenen Kriterien analysiert, um sie unterschiedlichen Positionen zuordnen zu können. Dabei zeigte sich eine bunte Vielfalt an Haltungen mit höchst unterschiedlichen und teilweise auch widersprüchlichen Schwerpunktsetzungen.
Balancierte und nicht ausbalancierte Zugänge
Den verschiedenen Haltungen und Zugängen konnten (nach einem Analysemodell von Messner) drei unterschiedliche Gruppen zugeordnet werden.
Die erste Gruppe hat einen „balancierten“ Zugang.
Balanciert bedeutet hier, dass diese Initiativen die Privilegien und Machtvorteile von Männern kritisch hinterfragen, gleichzeitig aber auch die Kosten und die Diversität von Männlichkeiten betrachten und reflektieren.
Männlichkeiten beinhalten in unserer patriarchalen Gesellschaft nicht nur aus Privilegien, sondern damit verbunden sind auch so genannte Kosten, die mit den Privilegien einher gehen und die für die Position „bezahlt“ werden müssen.
Sehr wichtig ist zudem die Perspektive der Diversität/ Vielfalt, denn nicht alle Männer sind gleich, befinden sich an den gleichen Positionen mit den selben Möglichkeiten oder definieren sich selbst ähnlich. Die Vielfalt wahrzunehmen und in die konstruktive Arbeit miteinzubeziehen ist eine wichtige gedankliche Voraussetzung von balancierten Zugängen.
Zudem beinhalten diese Zugänge eine Perspektive auf Geschlechterbeziehungen an sich – denn Veränderungen in einer Gruppe bleiben nie ohne Konsequenzen für andere – und erweitern den Blick auch in eine Richtung, die das heteronormative, zweigeschlechtliche System an sich kritisch hinterfragt.
Balancierte Zugänge findet man in Österreich vor allem in der institutionellen Männerarbeit bei den Männerberatungsstellen und den Männerbüros, in Graz wäre hier der Verein für Männer- und Geschlechterthemen ein Beispiel.
Feminismus als Feindbild
Dem gegenüber positionieren sich „nicht ausbalancierte“ Zugänge, „die Männer als das neue benachteiligte Geschlecht, sowie als Opfer von Frauen (bzw. des Feminismus) beschreiben“ (Scambor, Kirchengast 2014). In den Initiativen, die diesem Zugang zugeordnet werden können, sind männliche Privilegien oder Diversität kein Thema.
In Österreich finden sich einige solche Gruppen – Männeraktivist_innen, Väterrechtsgruppen und auch eine Männerpartei (ja, in Österreich gibt es wirklich eine Männerpartei).
Viele der Gruppen mit nicht ausbalanciertem Zugang arbeiten mit stammtischtauglichen, verkürzten Opferideologien, die stark emotional aufgeladen sind und leicht instrumentalisiert werden können. Der Staat und das Rechtssystem sind aus einigen dieser Perspektiven verlängerte Arme der herrschenden Feminist_innen, die systemimmanent Männer unterdrücken.
Diese Gruppen rekrutieren ihre Mitglieder häufig nach Trennungen/ Scheidungen, also in einer Phase, in der sich die betroffenen Männer selbst als Opfer erleben. Und auch wenn ein großer Teil dieser Initiativen nicht gerade von Mitgliedern überrannt wird, darf ihr Einfluss nicht unterschätzt werden. Immer wieder finden sich ihre Thesen in öffentlichen Diskussionen wieder, was sie zu Meinungsmacher_innen in Gleichstellungsfragen macht. Zudem werden manche der Gruppen durch konservativ – bürgerliche und politisch rechte Lager unterstützt – so ist zum Beispiel der Medieninhaber der Webseite „trennungsopfer.at“ der Freiheitliche Parlamentsklub.
Das Leitbild der Gruppen ist der Antifeminismus und die Unterstellung einer Femokratie (eines allmächtigen Feminismus, der auf allen gesellschaftlichen Ebenen wirkt). Diese Überhöhung der feministischen Macht lässt die eigenen mehr oder weniger radikalen Strategien gerechtfertigt erscheinen.
Viele detaillierte Thesen zu diesen Themen können auf den Webseiten von z.B. der Männerpartei, Väter ohne Rechte, Papa gibt Gas, Kindergefühle oder zum Beispiel der Väterplattform (ein Zusammenschluss der verschiedenen Gruppen) nachgelesen werden.
Wikipedia und die Bevorzugung von Maiden und Frauen
Um dem „feministisch unterwanderten“ Wikipedia etwas entgegen zu setzen, wurde von antifeministischen Gruppen „WikiMANNia“ gegründet, eine „Wissensdatenbank über die Benachteiligung von Jungen und Männern, sowie Bevorzugung von Maiden und Frauen“, in der es z.B. folgende Definition von Feminismus zu lesen gibt: „Feminismus ist ein skrupelloses Netzwerk aus narzisstischen Frauen und unterwürfigen Männern. Es ist das Vehikel für typisch schlechte weibliche Eigenschaften wie Ausflüchte, Ausreden, Falschbeschuldigungen, Lügen, Verzerrung, Ablenkung, Schuldabweisung oder Besserwisserei, mit dem Ziel, Männlichkeit abzuwerten und die Verantwortungslosigkeit von Frauen mit der Privilegierung von Frauen zu rechtfertigen und durchzusetzen. Feminismus ist eine Heiligsprechung des weiblichen Egoismus.“
Inhaltlich wird in den Gruppen davon ausgegangen, dass Männer in unserer Gesellschaft die benachteiligte Gruppe sind, wobei es immer nur zu einer einseitigen Betrachtung mit völliger Ausklammerung der eigenen Privilegien kommt. Wenn über das Ungleichgewicht gesprochen wird, dass Männer im traditionellen Modell weniger Zeit mit den Kindern verbringen (weil sie die Familie ernähren/ mehr Geld verdienen/ wirtschaftlich bevorzugt sind) und nach Trennungen fast immer die Mütter die Obsorge zugesprochen bekommen, während sie Alimente bezahlen müssen – wird eine privilegierte und mächtige alleinerziehende Mutter konstruiert, während der Vater zum Opfer stilisiert wird. Jungen werden als Bildungsverlierer betrachtet (was ebenfalls nicht den Tatsachen entspricht) und in vielen Gruppen wird das Thema häusliche Gewalt umgekehrt, indem man entweder behauptet, dass häusliche Gewalt mindestens zu gleichen Teilen von Frauen ausgeübt wird – oder es gleich komplett umdreht und meint, es würden hauptsächlich Frauen Gewalt ausüben.
Alle diese Thesen halten einem Faktencheck nicht stand und entsprechen nicht der aktuellen Situation. Interessantes Detail am Rande: Die meisten Homepages sind inhaltlich harmloser, als die dazu gehörenden Facebook Seiten oder Gruppen.
Diesen beiden politischen und teils auch ideologischen Zugängen (balaciert und nicht ausbalanciert) steht eine weitere Gruppe gegenüber, in der es in erster Linie um individualistische Rückbesinnung auf männliche Archetypen geht (Männerinitiationsgruppen). In diesen Gruppen werden Differenzen zwischen den Geschlechtern (aus einer Perspektive einer heteronormativen Zweigeschlechtlichkeit) vor allem biologisch und spirituell begründet. Die „Wild Men“ Bewegung begibt sich auf die Suche nach archetypischen Männerbildern, die der Herstellung einer „natürlichen“ Geschlechterordnung zuträglich sind, wie zum Beispiel „Kriegern“, „Liebhabern“, „Magiern“ und ähnlichen Figuren. Hier wird die „wahre“ Männlichkeit beschworen, die durch Seminare, Bücher und Kurse „gefunden“ werden kann.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Aus den Ergebnissen der Untersuchung wurden Schlussfolgerungen und Empfehlungen formuliert, um die Situation in Österreich zu verbessern, wie zum Beispiel die Schaffung einer ausbalancierten und kohärenten Männerpolitik im Rahmen der Gleichstellungspolitik in Österreich, eine verstärkte Kooperation von Gleichstellungspolitik, Gender-Arbeit und Männlichkeits- sowie Genderforschung. Ein politischer Ort für die Vernetzung von profeministischer Männerarbeit sollte geschaffen werden, die Vernetzung und Vielfalt der Perspektiven gestärkt, eine aktive Auseinandersetzung mit kontroversiell diskutierten Themen verstärkt und vieles mehr.
“Gleichstellungspolitisch aktive Akteur_innen in Politik, Forschung und Praxis werden sich der Auseinandersetzung mit den Themen der Männer- und Väterrechtsinitiativen stellen müssen. Die Diskussionen um geschlechtergerechte Schreibweisen (Binnen- I), um die ‚alte‘ Bundeshymne oder um die ‚Neuen Männer‘ erfordern klare Positionierungen auf breiter Basis. Eine wertschätzende Kultur der Kooperation, ein Geschlechterdialog auf Augenhöhe und die Neugestaltung des Geschlechterverhältnisses auf gleichstellungspolitischer Ebene schaffen die Basis für gemeinsame Antworten auf tendenziöse und verkürzte Diskurse.” (Scambor, Kirchengast, 2014).
Hier gibt es die Langfassung der Studie als Download:
______________________________________________________________________________________________________
Lisa ist Mutter von zwei Kindern (2 und 5), Soziologin, Geschlechterforscherin, Querdenkerin, Bloggerin (meine-kinder.at), Mitbetreiberin der Österreich Seite des Roses Revolution Day
Beitrag erschienen in: väter.
Beitragsbild von JD Hancock (Rahmen hinzugefügt)
[…] Zwischen Geschlechterdemokratie und Männerrechtsbewegung […]