von Cornelia
“However we feel about our own menstruation is how about we feel about seeing its image in front of us”, schreibt die Künstlerin Judy Chicago. Sie hat 1972 mit ihrer Installation “Menstruation Bathroom” eine Metapher für das Unaussprechliche geschaffen – für das Tabu der Menstruation. Das Badezimmer ist absolut hygienisch, weiß und sauber gehalten. Nur die blutigen Spuren der Menstruation quellen aus dem Mistkübel. Die Installation verweist auch auf das Schamhafte der Pubertät, wenn die Periode einsetzt – und dieses Zeichen der Reproduktionsfähigkeit gleichsam hinter Badezimmertüren verschlossen werden muss. Das “Menstruation Bathroom” war Teil des Ausstellungsprojektes “Womanhouse” in Los Angeles, in dem Installationen und Performances über diskriminierende Erfahrungen von Frauen im häuslichen Umfeld gezeigt wurden.
Scham und Diskriminierung sind zwei Aspekte, auf die man bei Kunst, die Menstruation in welcher Form auch immer thematisiert, häufig stößt – oder besser gesagt, die Überwindung von Scham und Diskriminierung.
Das Internet erweist sich als wahrer Fundus für Bilder, die sich mit der Menstruation auseinandersetzen: von “American Apparel”-T-Shirts und Vice-Fotostrecken über Drucke mit Menstruationsblut als “Werkstoff” oder Installationen und Fotografien schlussendlich bis hin zu mehr oder weniger esoterischen Foren, in denen eigene Blut-Abdruckbilder geteilt werden. Auf menstrualmoments.tumblr.com findet sich eine breit gestreute Sammlung von Bildern der unterschiedlichen Auseinandersetzung von Künstler*innen mit der Menstruation: Blut, Binden, Tampons, Menstruationstassen, Abdrücke, rot bestickte Kleider, fotografierte (blutige) Unterhosen, rot-braun befleckte Finger/Münder/Oberschenkel/Betten/Badewannen, fotografierte Tampon-Automaten, dazwischen auch sexualisierte Bilder, etwa beim Masturbieren oder menstruierende Frauen* in sexualisierten Posen. Darunter gestreut finden sich alte Werbungen für Binden und Tampons – sie zeigen: seit jeher ging es darum, ein Geheimnis auch geheim zu halten.
Während die einen enttabuisieren und sichtbar machen wollen, heischen andere hauptsächlich um Aufmerksamkeit. Aber auch wenn “American Apparel” mit einem Mens-Vagina-Shirt in bewährter Manier vermutlich vor allem extra-hip sein und Vice mit der Fotoserie “There will be blood” unterm Strich wohl hauptsächlich Klicks generieren will, die Bilder dafür lieferten in beiden Fällen feministische Künstler*innen – und zwar Petra Collins und Emma Arvida Bystrom des all-female Kollektivs the ardorous.
Die sichtbare Alltagswirklichkeit vieler Frauen* reicht scheinbar für Irritationen aus. Nach wie vor. Menstruation ist ein wirkmächtiges Tabu und selbst das Darüber-Reden scheint mit Ekel behaftet zu sein. “People are perfectly happy to see women as sex objects”, schreibt die Fotografin Robin Holland, “but the actual biologic of our bodies is apparently gross and unmentionable.” Dieses Zitat ist ihre Antwort auf die Reaktionen auf ein Foto von ihr, das eine Tampon-Schnur zwischen nackten Frauenbeinen baumelnd zeigt. Es erschien 1995 am Cover der “Village Voice” und illustrierte einen Artikel über die Gefahren von Tampons. Das unaufgeregte Bild löste viel Aufregung aus. Holland: “People were horrified.”
Die oben bereits erwähnte Künstlerin Judy Chicago ist eine der ersten, die sich in den 70er Jahren mit der Enttabuisierung der Menstruation künstlerisch auseinandergesetzt hat. Ihre Foto-Litographie “Red Flag” (1971) zeigt ein gewöhnliches Ereignis im Leben vieler Frauen* – die Entfernung eines blutigen Tampons. Auf der Website vom Museum of Menstruation and Women’s Health wird eine skurrile Anekdote aus der Rezeptionsgeschichte des Bildes erzählt: Viele Menschen konnten den Tampon nicht als solchen einordnen. Das Objekt warf Fragezeichen auf und wurde teilweise als blutiger Penis gelesen.
(Blutige) Tampons und Binden sind immer wieder Teil von Kunst, die sich mit dem Menstruieren auseinandersetzt. Eine eindrucksvolle Installation ist der Tampon-Leuchter der portugiesischen Künstlerin Joana Vasconcelos “A Novia/The Bride” (2001-2005).
“I Don’t Only Have Glitter In My Veins” (2013) nennt Georgia Grace Gibson ihre Auseinandersetzung mit dem Menstruationsblut, das unter dem Titel “Beyoncé on her Period” (ohne Verweis auf die Künstlerin!) viral ging. Die Künstlerin bezeichnet das “Glitzermenstruationsbild” als “a positive look at periods”.
Menstruationsblut wird gesammelt und weggeschmissen, bleibt hinter verschlossenen Türen und unsichtbar. Meistens. Erinnerungen an rote Flecken in Unterhosen, auf Leintüchern oder im Badewasser bleiben schambesetzt unausgesprochen – und sind doch Teil so vieler Leben. Eine der Künstler*innen, die diesen Aspekt des Menstruierens sichtbar macht, ist die Chilenin Carina Úbeda. Sie spannte fünf Jahre lang mit ihrem Menstruationsblut vollgesogene Stofffetzen in Stickrahmen und kommentierte diese mit dazugestickte Worte “ausrangiert” oder “zerstört”. Úbedas Hintergrund ist krankheitsbedingt: Sie reagiert allergisch auf Binden und Tampons, die Stofffetzen sind Teil ihrer Lebenswirklichkeit. Dazwischen baumeln eine Art Dörr-Äpfel, die den Eisprung visualisieren.
Viele Künstler*innen machen mit ihren Werken das Menstruieren nicht nur sichtbar, sie kämpfen damit gleichzeitig selbstbewusst und plakativ gegen das “Period Shaming” an. Dazu zählen zum Beispiel die mit Menstruationsblut gefärbten Lippen in den zwölf Fotografien der Serie “Red is the color” (2009) von Ingrid Berthon-Moine. Die Frauen auf den Bildern tragen ihr eigenes Menstruationsblut auf den Lippen, das mit stereotypen Lippenstiftnamen der Kosmetikindustrie wie Action Red, Forbidden Red oder Rouge Interdit benannt ist.
Weniger aktionistisch aber nicht minder konkret ist das Ölgemälde “Menstruate with Pride” (2010-11) der Künstlerin Sarah Maple. Die Feministin und Künstlerin Margaret Harrison schreibt über Maples Kunst: “Seeing Sarah Maple’s work got me raving again like we did in the 70’s when we naively thought we could change the world.”
Eine intimere Herangehensweise zeichnet das Werk der chinesischen Künstlerin Chen Lingyang aus: Sie verbindet in der analogen Fotoserie “Twelve Flower Months” (1999-2000) traditionelle Motive und Allegorien ihrer Heimat mit dem Ereignis der Menstruation. “The symbolic relationship between the flower and the mirror signifies beauty making the construct of femininity overt”, schreibt die Kunsthistorikerin Ruth Green-Cole.

Chen Lingyang, January Narcissus, 1999-2000
From the series Twelve Flower Months
Colour photograph, dimensions unknown
M+ Sigg Collection, M+, Museum for Visual Culture, Hong Kong
Im Gegensatz zu den zeit-entrückten Fotos von Chen Lingyang setzt sich die britisch-japanische Pop-Künstlerin Hiromi Ozaki (Pseudonym: Sputniko!) mit der Thematik im Kontext unserer medialisierten und technologisierten Gegenwart auseinander. Sie spürt der Frage “It’s 2010, so why are humans still menstruating?” nach: “What does Menstruation mean, biologically, culturally and historically, to humans? Who might choose to have it, and how might they have it?” Sputniko! zielt auf die künstlich geschaffene Zwischenblutung bei der Einnahme der Pille ab. Warum nicht darauf verzichten? Warum PMS nicht einfach abschaffen? Was heißt Menstruieren für das Frau*sein in unserer Gesellschaft? Eine Antwort darauf soll eben die “Menstruationsmaschine” geben. “Fitted with a blood dispensing mechanism and lower-abdomen-stimulating electrodes (the same used by your uncle to muscle his abs while watching tv on the sofa, only that Hiromi maxed out the power of the contractions), the Menstruation Machine simulates the pain and bleeding of an average 5 day menstruation”, schreibt Régine Debatty darüber auf ihrem Blog We make Money not Art.
In dem Video Menstruation Machine – Takashi’s Take” ist Menstruieren obsulet und damit zu einem Identitätsritual von Gender geworden. Die Maschine kann von Männer* und Frauen* benutzt werden. Die zu Beginn des Videos männlich lesbare Figur Takashi “builds the machine in an attempt to dress up as a female, biologically as well as aesthetically, to fulfill his desire to understand what it might feel like to be a truely ‘girly’ girl.”
Menstruationsblut und die damit verbundenen Kontexte, Prozesse und Diskurse werden von Künstler*innen aber nicht nur abstrakt dargestellt, sondern das Blut selbst auch als Werkstoff dazu verwendet, neue und andere Motive zu schaffen – wie es die südafrikanische Künstlerin und Aktivistin Zanele Muholi tut, die mit ihren symmetrischen Blutabdruck-Bildern aus der Reihe “Isilumo siyaluma | Period Pains” auf – eben wegen des Menstruation-Tabus – radikale Art auf Gewalt reagiert. Sie schreibt darüber: “As we continue to live and survive in troubled times as black lesbians in South Africa and within the continent, where rampant hate crimes and brutal killings of same gender loving women is rife. This ongoing project is an activist/artist’s radical response to that violence. (…) I continue to bleed each time I read about rampant curative rapes in my ‘democratic’ South Africa. I bleed every time queer bodies are violated and refused citizenship due gender expression and sexual orientation within the African continent. I constantly bleed when I hear about brutal murders of black lesbians in our townships and surrounding areas. (…) Each patterned piece in this series represents a ‘curative rape’ survivor or a victim of hate crime, the physical and spiritual blood that is shed from our bodies.”
Einen fast schon pragmatischen Zugang verfolgt die Künstlerin Lani Beloso, die unter Menorrhagie leidet – einer verlängerten, schmerzvollen Blutung – und ihr Menstruationsblut ebenfalls als Farbe für ihre Bilder verwendet: “I am trying to make something beautiful and utilitarian out of something that which in the past has only been a painful useless burden.” Aus dem Wunsch, die Blutmenge, die sie monatlich unter Schmerzen verlor, für sich sichtbar zu machen, entstand das Projekt The Period Piece, das die Künstlerin als gleichermaßen katharsisch, schön und lustig für sich beschreibt: “I don’t plan on having children, I’m not using my uterus. I just wanted to take it out and throw it in the garbage can.”
Der zweite Teil des Beitrags beschäftigt sich ausführlicher mit Feminismus und “menstrual activism” im Laufe der Zeit. Geplantes Erscheinen ist der 27. März.
Teaserbild: Claudia Carrillo via www.flickr.com/photos/claudiacarrillo
Beitrag erschienen in: Im Fluss