Freund*innen.

von Katja

Früher hatte ich fast nur Freunde. Freunde mit e hinten dran. Dann machte ich eine längere Reise um die Weltkugel und begann danach ein neues Leben. Mit Freundinnen. Mit i. Eine neue Erfahrung war das für mich. Eine aufregende in zweifachem Sinne. Aufregend, weil toll, aufregend, weil ich keine KindergartenfreundInnen hab und so sich auch das Gefühl einer Nebenbuhlerin breit machte. Also ich als Nebenbuhlerin, die sich erst ihren Platz im Freundschaftsuniversum erkämpfen muss neben all den langjährig bestehenden Beziehungen. Aber es läuft. Es läuft gut und ich hab mir unterschiedlich enge Freund*innenschaften aufgebaut, die immer tiefer wachsen.

Und dann kam die Schwangerschaft.

Meine einzige Co-Schwangere hat eine tolle Geburt. Ich nicht. Die Telefonate werden immer weniger.

In der Karenz sind nur mehr arbeitende Freundinnen um mich. Oder Mütter, mit denen ich eigentlich noch nicht befreundet bin. Und ich merke, wie mir Gespräche fehlen abseits vom Babyalltag. Und gleichzeitig merke ich, wie ich mir wieder Verständnis für den Babyalltag wünsche. So passt es nicht, so aber auch nicht.

Meine Karenz versüße ich mir damit, mich endlich mal mit denen zu treffen, für die ich lang schon keine Zeit mehr hatte. Einziges Manko: Die sind nicht in Karenz – ergo, haben genauso wenig Zeit wie sonst. Die denken: Ja, treffen wir uns halt ein anderes Mal. Und ich? Ich bin stinksauer. Mein Sozialkontakt außerhalb des Babyversums für diese Woche ist dahin. WTF!?

Ich nähere mich den „schon“ Müttern an und befreunde mich mit solchen, die mir ähnlich unzufrieden scheinen oder ebenso wenige Babybücher gelesen haben wie ich, die auch ein unbenutztes Kinderzimmer haben, oder keines – so wie ich.

Tolerant bin ich bei Eltern von Kleinkindern. Wenn ein Termin wegen Krankheit, Zahnen oder Ähnlichem abgesagt wird, wenn sich die Zeit des Treffens verzögert wegen Schlafenszeiten oder vollgekackten Windeln im letzten Moment. Und überhaupt ist es mit ihnen einfacher. Es gibt nur mehr Zeitspannen, wann eine ungefähr eintrudelt. Vorausgesetzt: Die Kinder sind in einem ähnlichen Alter bzw. Bewegungsstadium.

Und so formiert und verändert sich der Freundeskreis in Eltern mit Kindern in einem ähnlichen Alter, mit ähnlichen Schlafenszeiten, mit ähnlichem Arbeits-Haushaltsrhythmus.

Und die Nicht-Baby-Mütter? Ich vermisse sie. Und oft bin ich auch mal stinksauer, weil sie mich oft nicht mitdenken (Hallo Nachtleben!) und zu anderen Zeitpunkten wieder Treffen zu den unmöglichsten Zeitkonstellationen mit Kind vorschlagen. Nicht bedenken, dass ich Sich-Einsauen-Zeit mit einberechnen muss bei Unternehmungen, Pünktlichkeit selten eingehalten werden kann und die Wegstrecke je nach Verkehrsmittel viele Hürden bietet und dann nicht mal eine Wickel- oder Auslaufmöglichkeit im Lokal…Eine einfache Kosten-Nutzen-Rechnung sagt mir da schon: Vergiss es! Aber die denken da gar nicht mal dran. Nur ich bin dann stinksauer. Grundlos. Weil woher soll das eine wissen ohne Kind, die einfach so ihre Jacke anzieht und auf zum Bus geht, ohne sich um ein Überlebenspaket für unterwegs zu sorgen. Mittlerweile ist es besser. Mein Zwerg ist nun 1,5 Jahre. Wir sind flexibler. Das Überlebenspaket kleiner.

Meine Freund*innenschaften haben sich verändert. Ich wünsche mir, dass sich die Nicht-Mütter öfters melden. Das könnte ich auch, aber oft kommt was dazwischen. Und dann will ich lange und ausgiebig telefonieren. Im Alltag bleibt dafür aber oft nicht genug Zeit. Und mit den Müttern rede ich sowieso…über Globuli und Stipendien, gefütterte Gatschhosen und große Erfolge (mit Besteck essen).  Die sind auch noch spät nachts via social media erreichbar, da ticken Uhren und Toleranzgrenzen anders.

Den anderen winke ich gefühlt oft von weitem zu und wünsche mir, dass sich unser Lebensrhythmus bald wieder angleichen möchte.

Aber wiegen Kinder als Gemeinsamkeit mehr für engeren Kontakt als Freund*innenschaften ohne Kinder im Gepäck? Kann der Lebensrhythmus mit und ohne Kind wirklich so unterschiedlich sein, dass sich die Großstädter immer wieder verpassen?

Es ist ein Prozess. Und doch werden es immer mehr Freundinnen rund um mich. Mit und ohne Kinder. Das ist gut so. Und wunderschön.

Epilog: Im Dezember war ich auf einer Konferenz der Österreichischen Gesellschaft für Geschlechterforschung und habe dort einen Vortrag gehalten. Das Programm war so dicht gedrängt und interessant, dass ich mir das früher im Marathon reingezogen hätte. Diesmal hab ich die Gelegenheit genutzt, um ausgiebig und so viel wie möglich meine Beziehungen mit mehr oder weniger losen Bekanntschaften über drei Tage hinweg zu vertiefen.  Ich habe hauptsächlich hemmungslos ausgiebig getratscht und vom Buffet gegessen. Besser hätte es nicht sein können. Ich wünsche mir mehr solche Konferenzen für Beziehungspflege ☺

Beitrag erschienen in: Beziehungsweise.

Beitragsbild © Elizabeth Albert

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