Ich, mein Kind und das Unplanbare.

von Daniela

Ich hatte einen Plan: Sechs Monate voll stillen, dann immer mehr zufüttern und mit einem Jahr ist Schluss. Das Abstillen würde schon ganz einfach gehen, so wie das Stillen insgesamt. Aber es kam anders.

Ich denke tatsächlich öfters an „Sex and the City“. Ausgerechnet. Als die schicken Freundinnen einen Ausflug machen, raus aus Manhattan, zu einer „Baby Shower Party“.  „Hast Du gesehen? Die stillt ihr Kind noch, dabei hat das sicher schon Zähne und kann ein Steak essen!“. Oder so ähnlich. Ja, mein Kind hat auch schon Zähne und könnte wohl auch ein Steak essen damit. Es sagt auch: „Mama! Busen auspacken!“ wenn es trinken möchte. Mit zwei Jahren und ein paar Monaten ist das nicht verwunderlich – außer vielleicht der Tatsache, dass ich es immer stille. Irritierend für gar nicht so wenige, verwunderlich für viele, nicht zuletzt für mich selbst.

© Desiree Fawn

Nach einer lang herbeigesehnten, guten Schwangerschaft (Dieser sexy Babybauch! Und überhaupt!) halt mit Bluthochdruck und geschwollenen Beinen in den letzten Wochen, war die Geburt anders als gewünscht und trotzdem überwältigend und großartig (Worte können es tatsächlich nicht beschreiben – es war einfach so viel mehr und etwas anderes als Kopf). Trotz blutdrucksenkenden und krampflösenden Medikamenten aus dem Tropf währenddessen. Ob es dann an diesen lag oder an den mir eigenen „Schlupfwarzen“, ob es die Nachwirkungen der Medikamente auf das Kind oder die Stillhütchen waren, das lässt sich nicht nachvollziehen. Tatsache war, dass nach einer Woche im Glückstaumel, in der Familienhöhle zu dritt und mit fast täglichen Hebammen-Besuchen eben diese Alarm schlug: Wenn wir nicht sofort mit Flasche zufüttern, verhungert unser Kind. Ich weiß nicht mehr, ob sie es tatsächlich so drastisch ausgedrückt hatte, aber so brannte es sich ein in mein Gedächtnis.

Es folgten drei Wochen mit Flascherl, das meistens ich selber dem Kind gab, während ich es an meinen nackten Busen legte – ich wollte möglichst wenig Kompromisse machen müssen, die „Stillbeziehung“ nicht gänzlich verlieren. Die Identitätskrise hätte ich zu diesem Zeitpunkt vielleicht sowieso gehabt, schließlich hatte ich mich vorher vor allem über meine Erwerbsarbeit definiert. Doch die Tatsache, dass ich nicht stillen konnte, dass ich mein Kind nicht mit meinem eigenen Körper ernähren konnte, einfach so, problemlos, das machte es zusätzlich schwer für mich. Da konnte ich nicht zugreifen auf all die Dinge, die ich im Kopf weiß und so wichtig finde: Dass Mutterschaft nicht an Körperliches gebunden sein muss, dass es nicht das Austragen und die Geburt des Kindes voraussetzt und schon gar nicht das Stillen. Aber ich, für mich, wollte doch so gerne.

„Dann stillst du halt dein nächstes Kind!“, hatte die Hebamme geantwortet, als ich unter Rotz und Tränen „Aber ich will doch stillen!“ gerufen hatte. Finde ich immer noch zynisch. Es ging schließlich um das Baby, das gerade mal eine Woche alt war. Was weiß ich, ob ich überhaupt noch ein weiteres Kind bekommen würde? Ich wollte noch nicht aufgeben. Pumpte nach dem Füttern ab, Tröpfchen für Tröpfchen. Dazwischen alles auswaschen, auskochen, Flascherl, Sauger, Milchpumpe, Schnuller.

Ich probierte verschiedene Milchpumpen, manuell, elektrisch, klein, groß. Am besten ging die kleine, die nur mit meiner Kraft bedient wurde, davon wollte ich eine zweite. Die Mitarbeiterin im Babybedarfsgeschäft fragte nach – und empfahl mir dringend eine Stillberaterin. Diese rief gleich zurück, beriet mich telefonisch, machte mir Mut und empfahl mir eine Kollegin, da sie selber ausgebucht war.

Am nächsten Tag gleich saß ich mit meinem Kind bei der Frau, die meine Stillberaterin werden sollte. Sie fragte mich nach meinem Ziel, ich antwortete: „Voll stillen“. „Gut, dann wirst du voll stillen!“ Das wollte ich hören. Sie zeigte mir, wie ich mit dem „Brusternährungsset“ meinem Kind Zusatznahrung geben konnte (durch zwei ganz dünne Silikon-Schläuche, die ich jedes Mal an meinen Brustwarzen festkleben musste und die zu einem Fläschchen führten, das ich mir um den Hals hängte – wenn es falsch angeklebt war, trank das Kind einfach wie mit einem Strohhalm). Ihre Beratung war „hands on“: Den Mund meines Kindes genau beobachten, gegebenenfalls öffnen, meine Brustwarzen zwirbeln, zusammenzwicken und dem Kind in den Mund stecken – ungewohnt, nach der distanzierten Beobachtung und Befragung, die die Stillberatung meiner Hebamme dargestellt hatte. Stillberatung, Beziehungsberatung. Zwischendurch weiterhin abpumpen, kürzer aber öfter. Noch mehr zum Auswaschen und Sterilisieren; ich habe rückblickend den Eindruck, dass ich drei Wochen lang nur das machte und dazu wöchentlich in die Stillgruppe fuhr, zum Austausch und zur Stärkung.

Dann in der Nacht ohne Brusternährungsset, einfach nur stillen; schließlich auch am Tag immer seltener zufüttern damit. Immer mehr Sicherheit, dass es nun doch geht. Mit knapp über einem Monat wurde mein Kind wieder ausschließlich mit meiner Muttermilch ernährt, dieses Mal ausreichend. Harte Arbeit, die sich für mich gelohnt hat. Vielleicht der Hauptgrund dafür, warum ich über zwei Jahre später immer  noch stille, am Abend, zum Einschlafen, manchmal auch vor dem Mittagsschlaf. Einvernehmlich. Ein schönes Wort. Eine schöne Beziehung, die in dieser Art nun halt schon deutlich länger dauert, als ich mir jemals vorstellen hätte können. Stillen als Bestandteil der Beziehung zu meinem Kind (sicher auch nach dem Abstillen dann) und auch der Beziehung zu meinem Körper. Mit dem Unplanbaren habe ich meinen Frieden gefunden.

Beitrag erschienen in: Beziehungsweise.

3 Replies to “Ich, mein Kind und das Unplanbare.”

  1. Rosalie sagt:

    Ich bin mir nicht sicher, ob die Diskussion über das Stillen nicht von einer falschen Prämisse ausgeht. Lässt man den Mantel ‘das Beste für’s Kind’ mal weg (was ich schon das Beste fürs Kind?) sind es die Mütter, nicht die Kinder, die stillen wollen. Neugeborene machen sich da keine Gedanken darüber und nehmen auch glücklich die Flasche. Hauptsache Milch. Zudem verstehe ich auch überhaupt nicht, warum in der Öffentlichkeit immer das eine oder das andere diskutiert wird. Ich habe schon am ersten Tag mit dem ersten Kind die Kombination bevorzugt, weil sie maximale Freiheit gibt. Auch Nr.2 konnte das spontan und ich werd es bei jedem weiteren Kind genauso machen.
    Ich beanstande nicht das Voll-Stillen, sondern das entweder-oder, das es.muss-jetzt-aber-klappen. Dabei könnten die Mütter auch so an Geburt und Wochenbett herangehen: Ich lass das auf mich zukommen und schau gemeinsam mit meinem Kind, was passt. Wäre doch irgendwie sinnvoller und entspannter.
    Zudem, ich stille auch lang und auch in der Öffentlichkeit und habe noch nie einen schrägen Blick geerntet, wobei lang im Moment 1,5 Jahre bedeutet. Aber die Kleine ist ganz klar nicht mehr als Baby zu erkennen. Vielleicht kommt es auch etwas darauf an, wie man’s macht. Ob man sich präsentiert, oder das diskret macht. Ich habe immer auch das Baby in der Öffentlichkeit sehr diskret gestillt, weil es ein Moment für mich und mein Kind ist und niemanden sonst.
    Ich habe die gesamte Stillproblematik nach Jahren des Stillens immer noch nicht verstanden.

  2. lady bug sagt:

    Ich stimme dir völlig zu, Rosalie. Materialistische Tendenzen zur Optimierung des eigenen Lebens sind hier deutlich am Wirken. Jeder Aspekt des Lebens (des eigenen und vom Kind) muss perfekt und genau durchgeplant sein.

  3. Sophie sagt:

    Der Artikel ist zwar schon etwas älter, aber ich bin gerade erst auf ihn gestoßen und finde es sehr schade, dass die bisherien Kommentare wenig empathisch sind..
    Vielen Dank fürs offene Teilen Deiner Geschichte, Daniela!

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