The Horror. The Horror

Wie jetzt?

 von Pitz
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Mit wippender Tasche betrete ich den Schulhof, um mein Kind abzuholen. Darauf freue ich mich spätestens seit Mittag, sehr. Das Schulkind rennt auf mich los, ruft mir im Rennen etwas ganz wichtiges zu. Ich möchte unbedingt wissen, was es auf dem Herzen hat – und: verstehe es nicht, denn es wird überplärrt von einem anderen Kind. Das meinem auf dem Fuß folgt und sich in unseren Kreis drängt. Unsere intime Begrüßung versaut. Wie gestern schon, wie letzte Woche, wie seit Beginn der ersten Klasse. Ich hab so’n Brass auf dieses Wesen, das hier der Einfachheit halber Charlie heißen soll.
Charlie ist ein Kind unter hunderten auf dieser Schule, es fällt nicht weiter auf. Es hat ein durchschnittliches, hübsches Gesicht, Haare, Nase, Mund, immer weit geöffneter Mund, der überlaut irgendwelche wertenden und abwertenden Meldungen verkündet und mir permanent ins Wort fällt, immer viel zu nah an meinem Kind und mir. Es ist ein durchschnittliches Kind, ich kann es nicht leiden, es ist mir nackenhaarsträubend unsympathisch wie einige andere Menschen, na gut, wie wenige andere Menschen, und: mein Kind ist mit Charlie befreundet. Zum Geburtstag war es eingeladen, ich hab mich konzentriert summend den anderen Kinder zugewendet. Die Mutter eines dritten Kindes sagt: „Charlie? Boah, hab ich auch gefressen, unmöglich! Ich hab meinem Kind gesagt: Lad dir gerne Freund_innen ein, unser Haus steht deinen Leuten offen, aber bring Charlie nicht mit, ich kann Charlie nicht ausstehen!“ – So resolut bin ich nicht, so entschieden, auf den Zähnen hab ich keine Haare, sondern Glatze. Aber Charlie will ich auch nicht ertragen, falls irgendwann der quälende Tag kommen sollte, an dem mein Kind auf die Idee kommen könnte, Charlie nach Hause einzuladen. Was tun?

In zwei Wochen findet sich an dieser Stelle der Ratschlag einer Expertin.


Bild: “Domo scares Dambo” von Guillermo Viciano

9 Replies to “The Horror. The Horror”

  1. Dein Kind scheint Charlie zu mögen. Später werden noch viel mehr Freunde dazu kommen, mit denen man selbst nicht befreundet sein möchte.

  2. Eva sagt:

    Meine Tochter hatte im Kindergarten mal so eine allerbeste Freundin, die ich ziemlich unertraeglich fand. Das schrecklichste in unserem Falle war, dass ich speziell ihre Eltern komisch fand. Die aber meinten, dass eine Freundschaft unserer Kinder garantiert, dass jetzt auch die Eltern dicke Freunde werden muessten. Ich habe mich nie getraut zu sagen, dass ich einfach kein Interesse habe, sondern bei Vorschlaegen der Eltern, wir sollten uns treffen, immer Terminprobleme vorgeschoben. Meine Tochter liebte ihre Freundin trotzdem heiss und innig. Mein persoenlicher Kompromiss war, dass die beiden sich auf dem Spielplatz verabreden durften und dadurch auch ausserhalb vom Kindergarten sehen konnten. Ich musste aber nicht zu den Eltern nach Hause mit, und musste sie nicht zu mir einladen. (Im Kindergarten waren bei uns die meisten Kindertreffen mit Eltern dabei.)
    Von daher kann ich deine Charlie-Gefuehle gut nachvollziehen. Ich wuerde an deiner Stelle vermutlich auch nicht meinem Kind verbieten wollen, Charlie einzuladen oder umgekehrt. Aber ich wuerde gegenueber meinem Kind zu meiner Meinung stehen, dass ich mit Charlie einfach nichts anfangen kann. – Wenigstens keine freundlichen Gefuehle vorgaukeln zu muessen hilft vielleicht auch schon.

  3. Hannah sagt:

    Ich erinnere mich gerade daran, dass ich als Kind quasi erwartet habe, dass meine Eltern meine Freunde/innen auch toll finden. Frei nach Kästners Herrn Pogge, der über Pünktchen und Anton sagt: “Mein Kind hat sich seine Freunde gewählt und ich billige diese Wahl.” Das habe ich mir gewünscht, und fand es selbst als sehr großes Kind noch schmerzhaft, als meine Eltern ‘Verliebtheiten’ nicht nachvollziehen konnten.
    Gleichzeitig kann ich deinen Charlie-Horror nachempfinden.
    Die Schwierigkeit besteht wohl darín, vorsichtig klar zu machen, dass Du Charlie nicht magst und Deinem Kind dabei gleichzeitig die Möglichkeit/Kraft zu geben, die Freundschaft beizubehalten. Das hat was mit emotionaler Ablösung zu tun, würde ich sagen. Ein Kind einfach damit zu konfrontieren, dass man seinen Freund nicht mag und es damit alleine zu lassen bzw. keine ‘Lösungsvorschläge’ sondern vielleicht einfach nur unausgesprochene Erwartungen anzubieten, ist jedenfalls hart, denke ich. Ich meine, was soll man denn dann tun als Kind? Wo ist der Mittelweg zwischen ‘dann ist Charlie jetzt doof’ und ‘dann ist Mama jetzt doof’?

  4. oh, ich kenne auch so ein kind. es ist glücklicherweise weit entfernt von einem nahen verhältnis zu meinem kind, aber die fünf minuten in der kindergarten-garderobe reichen mir oft schon. die aufdringliche, anbiedernde art macht mir gänsehaut. wirklich. aber ich habe das gefühl, da müssen eltern einfach durch. jegliche art von kritik meiner eltern an meinen freund_innen (und das war, wenn ich mich recht erinnere, maximal eine andeutung, ein hauch von kritik) war für mich immer sehr schlimm. und irgendwie: dein kind hat doch das recht, einzuladen, wen es will? oder nicht. machst du vermutlich auch – oder darf das kind ein veto gegen deine freundschaften einlegen? das wäre dann nur ein faires angebot, wenn charlie einfach ganz und gar nicht geht.

  5. Eva sagt:

    Wie genau ich meinem Kind vermittle, dass ich mit seiner/m Freund_in nicht kann, hängt sicherlich von meinem Erziehungsstil und von der Persönlichkeit des Kindes ab. (Kann das Kind sowas wegstecken?) Und mensch sollte ganz bestimmt nicht die Freund_in des Kindes verächtlich machen. Aber zum Aufwachsen gehört m.M. auch dazu, dass ein Kind lernt, dass es auch mit engen Bezugspersonen unterschiedliche Geschmäcker und Meinungen haben kann – und das aushalten kann. Und ich finde es auch super wichtig, dass ein Kind lernt, dass es normal ist und geäußert werden darf, wenn mensch eine Person nicht mag, nicht mit ihr zurechtkommt etc. – schließlich soll das Kind auch selbst in Beziehungen zu Menschen, die es nicht mag o.ä., auf Abstand gehen können.
    Von daher scheint es mir weiterhin am besten, zur eigenen Einstellung zur Freund_in zu stehen. Gleichzeitig muss ein Kind seine eigenen Freund_innen finden, und wir als Eltern müssen glaube ich einfach da durch, dass das nicht immer unsere Freund_innen wären.

  6. pitz sagt:

    diese wie-jetzt?-frage kam von mir, ich bedanke mich für eure antworten und sage auch nochmal was dazu.
    @leidenschaftlichwidersynnig na, eben.
    @eva danke für deinen input. so ein drumherum-gewurschtle schwebt mir auch vor, damit wäre ich sehr wohl einverstanden.
    @hannah um deinen post kreisten meine gedanken in den letzten tagen am längsten, du hast einen punkt getroffen. einerseits will ich meine persönlichen grenzen in diesem fall nicht überschreiten, andererseits dem kind etwas möglich machen, was es sich wünscht (die freund_innenschaft). mit emotionaler abnabelung ist es bei uns nicht weit her, war es noch nie, und ich bin mir gewiss, dass das kind sich von charlie abwenden wird, wenn ich auch nur den hauch einer abgrenzung unternehme. huaaahh!
    @aufZehenspitzen ha, gut zu hören, dass es auch anderen so geht. und klar hat mein kind rechte auf unsere wohnung, insbesondere einladerechte. nur hängt bei kindern eben auch mehr dran als das bloße dasein. mein kind muss sich ja nicht um meine gäste kümmern, ich mich im zweifelsfall aber schon. und dann hat niemand was von einer absolut entnervten, unterdrückt saueren charlie-gastgeberin. sprich, ich weiß nicht, ob ich die verantwortung werde tragen können, gute miene zum bösen spiel zu machen. ich habe im laufe des elternseins gelernt, dass es niemandem was bringt, wenn ich mich heroisch aufopfere und meine grenzen wacker überschreite.
    @eva das ist ein guter punkt, dass das kind von seinen eltern lernt, dass es ok ist, nicht alles akzeptieren zu müssen. wir sehen schon manchmal, wie die kinder uns imitieren, indem sie die zähne zusammenbeißen – manchmal ist es angebracht, manchmal total unsinnig. das tut mir sehr leid, gleichzeitig erkenne ich die situation wieder, in der die kinder das von uns gelernt haben.
    und nur kurz als hintergrundinformation, charlie ist in dem sinne keine “verliebtheit”, sondern teil einer größeren bande – das macht es easier.

  7. berit sagt:

    Ich wollte noch anbringen, wenn Charlie dir in deinem Haushalt zu vorlaut wird, kannst du ihn ruhig zur Raison ziehen und sagen, dass dir sein Verhalten nicht passt.
    Hatte die Nachbarin meiner Mama damals mit mir auch gemacht und ich bin ihr heute sehr dankbar dafür. Niemand muss sich in seiner eigenen Wohnung vollpöbeln lassen, egal ob das die Freunde vom Kind oder z.B. die Kollegen vom Partner sind.

  8. pitz sagt:

    stimmt, berit, das ist ein guter punkt.

  9. […] zwei Wochen hat sich Pitz unter dramatischem ‘Apocalypse now”-Titelzitat gefragt: Wie mit unausstehlichen, […]

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