Alleinerziehende Mutter sucht Anstellung

Muttermythen

Elisa-Marlene setzt sich in ihrem “Bewerbungsschreiben” mit dem Mythos der “unflexiblen Alleinerzieherin, die nicht in der Lage ist sich auf dem Arbeitsmarkt zu bewähren” auseinander.

Alleinerzieherin ist bereit nahezu jede Arbeit anzunehmen, die sie dann mit Fleiß gewissenhaft ausführen wird.
Ich kann wirklich sehr fleißig sein. Ich komm aus dem Gastgewerbe. Und außerdem hab ich Erfahrung mit Stillbabies. Die schreien in der Nacht unsanft zum Einsatz, der sofort sein soll. Die Babies haben akustische Druckmittel. Bei der Grundausbildung beim Militär gibt es ähnliche Übungen- nur ohne Brüste. Ich kann gut vom Ruhe-Modus in den Arbeitsmodus schalten. Mein Geist ist noch träge, während mein Körper bereits wieder arbeitet. Das dauert nur wenige Minuten länger. Innerhalb der Arbeitszeiten gehöre ich ganz und gar Ihnen. Sie kriegen meinen Fleiß und ich Ihr Geld. Hört sich doch gut an, oder? Ich kann arbeiten wie ein Tier- vielleicht ja sogar wie ein Untier.
Es wäre bitteschön dringend. Ich bin pleite – wenn das Budget in einem Zahlenraum der rationalen Zahlen gerechnet werden kann. Wenn die Hausbank einigermaßen nett und verständnisvoll ist, kann um einen bestimmten Wert unter null erweitert werden – allerdings auf Bewährung. Unter Einbeziehung der negativen rationalen Zahlen bis zu dem, von meiner Bank gesetzten Grenzwert bin ich also nicht pleite. Ich verhungere noch nicht, danke, geht schon. Aber auf Bewährung bin ich dann doch und daher sollte ich mich in Sorgsamkeit üben.
Flexibel bin ich aber nicht. Ein freies Wochenende brauch ich auch – für meine seelische Balance, wissen Sie? Ach ja, montags geht es auch nicht. Da bin ich den ganzen Tag auf der Uni. Neben Kindern zu studieren ist oft zeitlich so schwer zu koordinieren und montags hat die Omi Zeit. Die Omi bleibt dann immer bis zum späten Nachmittag. Das ist gut für die Oma-Kind-Beziehung und auch für mein Studium. Arbeiten will ich aber auch nachmittags nicht. Meine Kinder besuchen nicht die Ganztagsbetreuung. Ich fühle mich einfach schlecht, wenn ich, vor allem im Sommer, Zeit alleine bei Schönwetter verbringe, in der ich lieber mit den Kindern was unternehmen würde. Spontan etwas am Nachmittag unternehmen, gatschig und schlammig werden, wandern, Schwimmen gehen oder Schwammerl (mit Lamellen unterm Hut) und Pilze (mit Poren unterm Hut) suchen prägt Kindheitserinnerungen und führt meiner Meinung nach zu einem besseren Selbstbewusstsein für das ganze Leben und mehr Spaß. Auch die Bindung ist eine festere und vertrauensseligere, wenn wir die verschiedensten Facetten des Lebens gemeinsam kennen. Das werden Sie wohl verstehen, oder? Ich nehme das sehr wichtig, weil ich glaube, dass das jetzt das Wichtigste ist, was ich überhaupt im Leben je tun werde.
Ich hätte also bitte gerne einen Job für die Vormittage. Bitte nur werktags. Vielleicht tröstet es Sie, dass ich, seit ich nicht mehr rauche, keine Pausen brauche. Ich rauche nicht mehr und halte gerne durch, weil ich mittags eh wieder gehen möchte. Die Kinder brauchen ja eine vernünftige Mahlzeit, wenn sie nach Hause kommen. Junk-Food essen wir nur ganz selten. Es gibt da so ein prägendes Alter, ich hab vergessen welches das noch einmal war, da wird der Geschmack geprägt. Das beeinflusst sozusagen das ganze weitere Leben. Ein gesunder Körper verlangt von selbst, was er gerade braucht. Wird ein bestimmter Nährstoff benötigt, dann hat der Mensch automatisch Lust auf ein Nahrungsmittel, das diesen Nährstoff enthält. Cool, dieses System, nicht wahr? Das darf man also bloß nicht kaputtmachen.
Kann auch sein, dass ich plötzlich weg muss, weil eine Lehrerin Fieber bemerkt. Die angefangene Arbeit lass ich dann liegen bis zum nächsten Tag, falls ich da nicht ein krankes Würmchen zu Hause behalten muss. Eh kein Problem, oder? Wenn ich erst mal wieder Zeit habe – und ich weiß leider selbst noch nicht, wann das sein wird – werd ich alles wieder einarbeiten. Ansonsten bin ich zuverlässig. Selber werde ich auch fast nie krank. Das liegt bestimmt an den vielen Vitaminen. Ich esse so gerne Gemüse. Das erhöht meine Produktivität. Studien sollen das nachgewiesen haben. Das hab ich irgendwo mal gelesen. Ich aber auch schon wieder eine Zeit lang her. Was ich eigentlich fragen wollte: Haben Sie grad zufällig eine Stelle für mich frei?

7 Replies to “Alleinerziehende Mutter sucht Anstellung”

  1. Rosalie sagt:

    Haben Sie vielleicht grad 2 Stellen frei? Ich bräucht nämlich auch eine.
    Aber im ernst. Ich finde schon, dass man nicht alles nur so bissle vermurkst machen sollte. Das macht es doch nur komplizierter. Man muss dann doch die Entscheidung treffen. Entweder eine vernünftige Zeit arbeiten und die Kinder längere Zeit fremdgetreuen lassen (so es die Möglichkeit gibt). Oder wirklich zu Hause sein (so man es sich leisten kann). Ein bisschen von allem und dann hat keiner so richtig was davon. Das ist ja gerade das Schwere an der Vereinbarkeit.
    Mein Bedenken ist nur: Wenn man als Elternteil so hin- und her gerissen ist und nicht Ganzes und nix Halbes macht und dabei auch noch unsicher ist, oder ein schlechtes Gewissen hat, dann merken doch die Kinder, dass es nicht stimmt. Die spüren den Frust ja auch.
    Ich kann jetzt natürlich nicht sagen, wie es als Alleinerziehende ist (wobei ich durchaus alleinerziehend und berufstätig mit viel arbeitendem Mann bin). Die Geldsorgen sind zum Glück nicht so drängend.
    Dennoch muss auch ich sagen: Wenn ich eine vernünftige Zeit am Stück arbeiten will/muss, dann müssen die Kinder eben in dieser Zeit in die Kita/Kiga oder später in den Hort nach der Schule. Wenn ich einen finde… So lange ich damit kein Problem habe, macht das bisher offensichtlich meinen Kindern auch nix aus, denn sie wissen, dass Mama arbeitet.

  2. Wochenends verbringen die Kinder oft die Zeit bei ihrem Papa, sodass ich die gemeinsame Zeit einfach nicht mit einer Ganztagsbetreuung weiter minimieren möchte. Sonst kennen sie mich am Ende hauptsächlich müde nach der Arbeit und beim Frühstück. Zu Hause bleiben ist für viele eine gute Wahl. Das macht aber auch nur bei einer finanziell guten Situation- etwa durch einen entsprechend gut verdienenden Partner- Sinn. Ich mach meine Sachen aber sicher nicht vermurkst oder halb, sondern mit gelegentlicher Überwindung des inneren Schweinehundes und gewachsener Disziplin. Immerhin hab ich ja am Wochenende meist einen freien Tag zum Erholen. Frust hab ich bestimmt keinen- auch wenn es nicht immer leicht ist. Ich hab großes Glück, tolle Kinder und erfreue mich außerdem bester Gesundheit 🙂 Situtationen sind so unterschiedlich, dass man nicht erahnen kann, was hinter dem Tellerrand zu sehen ist, sondern echt drübergucken muss.

  3. Rosalie sagt:

    Ich hab auch nicht geschrieben, dass du Murks machst. Allerdings kommt man beruflich und v.a. finanziell z.B. nicht besonders weit, wenn man in den meisten ‘Frauenberufen’ – auch den höher qualifizierten 50% arbeitet. Davon kann man dann auch nicht 3 Personen durchbringen… Die meisten müssen dann schon ein höheres Pensum arbeiten und da hilft die Omi eben meist auch nimmer viel. Da muss man dann die Zähne zusammen beißen. Ich bin mit einer Krankenschwester-Mami aufgewachsen. Schichtdienst, 12-Stunden-Schichten, bestimmt nicht zu viel Geld etc. Ich erinnere mich an die müde Mami, die erst noch eine Stunde schlafen musste, bevor sie wieder ansprechbar war nach der Arbeit. Das war für mich normal. Aber Teilzeit wär einfach finanziell nicht drin gewesen. Das hatte nix mit Karriere zu tun. Aber ich habe keine einzige negative Assoziation damit. Ich kannte es nicht anders und darum war es ok. Für meine Mutter war es nicht ok, dass weiß ich heute. Mein Vater hat damals an einem anderen Ort eine unbezahlte Ausbildung gemacht. . Es kam also nie die Frage auf, ob irgendwer ‘wollte’, dass ich fremdbetreut wurde. Es war einfach so. Und lang nicht so gut, wie manche heutige Kita… Es war aber dennoch kein Problem. Ich erinnere mich sehr gut an diese Zeit.
    Ich meinte im obigen Post, dass man sich eben entscheiden muss. Die meisten Menschen müssen das, eben weil mit 50% das Geld nicht reicht.
    Das größte Problem für Arbeitgeber mit Alleinerziehenden ist doch wahrscheinlich die wirklich fehlende Flexibilität, oder? Zu zweit kann man wenigstens so tun, als könne man sich abwechseln (was nur die wenigsten machen). Man muss halt immer ran, und dazu muss man immer fit sein. Man läuft halt immer im ‘funktionieren’ Modus, oder? Um das durchzuhalten bräuchte ich zumindest einen Job mit klarem Auftrag, in dem man Dienst nach Vorschrift machen kann. Ich denke aber auch, dass die allermeisten Jobs das hergeben würden. Es tun nur immer alle so, als würde die Welt untergehen, wenn mal was nicht sofort und gleich gemacht wird. Meist läuft die Arbeit aber dann doch nicht weg – wär ja zu schön. Allerdings ist der Konkurrenzdruck schon heftig.
    Wie ist das als Alleinerziehende? Wie oft denkt man daran, alles hinzuschmeissen? Wie oft fühlt man sich so richtig erschöpft? Und wie oft wird man dafür noch dumm angegangen? Wie oft hat man tatsächlich ein schlechtes Gewissen? Und wie oft hat man das Gefühl, mehr geleistet zu haben, als man sich zugetraut hat, als andere einem zugetraut haben?
    Welche Rolle spielt die Arbeit dabei, welche der Arbeitgeber und welche die Kollegen?
    Und noch eine Frage: Hast du ‘andere’ Grenzen, als ich?

  4. berit sagt:

    Huhu, ich weiß ja nicht wo du wohnst, aber wäre eventuell ein 400 EUR Job im Einzelhandel ausreichend für dich?

    • Hallo Rosalie,
      Ich kann deine Mutter voll und ganz verstehen. Es ist nicht besonders fair, wenn einer buckelt, arbeitet und einen Haushalt allein macht, während der Partner in aller Ruhe seine Ausbildung machen kann. Sie muss wohl eine sehr fleißige Frau gewesen sein, die sich viel Dankbarkeit verdient hätte. Als Paar muss man schon eine Lösung finden, die für beide fair ist. Dass nicht jeder nur Rosinen naschen kann, ist auch klar. Belastund gehört dazu zum Leben und ist nichts Schlimmes- wenn ab und zu Zeit zum Durchatmen bleibt oder gegenseitig vom Partner ermöglicht wird. Allein ist die Sache noch einmal etwas anders. Es gibt aber auch Alleinerziehende, die es weit schwieriger haben und nicht ab und zu die Kinder zu ihrem Papa oder zu der Oma bringen können um sich mal einen Tag zu erholen. Ein paar Stunden Erholung und pflichtenbefreite Zeit laden meinen Energiespeicher, sodass ich mich wieder auf meinen Alltag freue. Ich glaub aber nicht, dass Rollenbilder oder Arbeitsverteilungen den Arbeitsmarkt für eine Teilzeitarbeit neben den Kindern erschweren, sondern wirtschaftliche Motive. Feste Arbeitszeiten oder eine sichere Arbeitsstelle sind für immer mehr Menschen ein Traum. Viele Arbeitslose und Absolventen suchen eine Arbeit und viele Arbeitende schauen sich nebenbei nach etwas anderem um, weil der Arbeitgeber sie unter Druck setzt. Bei größerer Konkurrenz wird bevorzugt, wer mehr bieten kann, belastbarer ist und zeitlich flexibel ist. Ich finde Leute toll, die sich mit Elan für ihre Ziele einsetzen können, mehrere Dinge unter einen Hut bringen können und zielstrebig das beste aus sich selbst herausholen können. Trotzdem wäre es gut die einen oder anderen Steine aus dem Weg zu räumen, weil Situationen oft schwieriger sind als sie sein müssten. Ich habe im Übrigen kaum die Erfahrung gemacht ‘dumm angegangen’ zu werden. Ich erzähl es ja nicht großartig herum, sondern rede darüber, wenn es im Gespräch gerade Thema ist oder wenn mir jemand mit vergleichbaren Erfahrungen begegnet. Die meisten Gespräche dazu waren angenehm. Nur eines hab ich immer wieder erlebt. Als ich ein Schulfest schwänzte, weil gleichzeitig Kindergartenabschlussfest war, als ich schwer verkühlt meine Kinder von der Schule holte oder wenn Investitionen nur in der niedristen Preisklasse (oder second hand) getätigt habe, hatte ich oft das Gefühl Erklärungen abgeben zu müssen. Das fühlt sich komisch an bei Personen, die man nicht so gut kennt.
      Hallo Berit,
      Der Blog geht schon weit über die Stadtgrenzen hinaus. Wäre schon ein großer Zufall, wenn du auch, so wie ich, aus Graz kämst.

      • berit sagt:

        Hallo Elisa, so stadtgenau meinte ich das auch nicht, aber in jedem Land ist ja so, das es Gegenden gibt, in denen bestimmte Jobs eher vorhanden sind als andere. Und soo groß ist die Spannbreite des Blogs auch nicht, schon allein auf Grund der Sprachbarriere.

  5. maria3ks sagt:

    Oh ich fühle mit dir! Ich bin auch gerade auf Jobsuche und ich habe aufgehört mein Kind in den Lebenslauf zu schreiben, gleichzeitig denke ich, dass ich durch das alleinerziehend sein so viele tolle Kompetenzen für die Arbeitswelt mitbringen würde, dass es eigentlich schade ist es nicht zu erwähnen.
    Ich finde übrigens, dass nicht die (alleinerziehenden) Mütter unflexibel sind sondern die Arbeitgeber_innen, die es einfach nicht schaffen (wollen) (sich auf) uns einzustellen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.