von Momatka
Kinder kamen für mich lange gar nicht in Frage. Meine Mutter hat mich bekommen, als sie 18 Jahre alt war. Zwei Jahre später kam meine Schwester. Und auch wenn meine Eltern immer davon sprachen, dass sie noch viel Zeit hätten die Zweisamkeit zu genießen, wenn wir aus dem Haus wären, hat man mir doch auch eingeschärft: Erst das Leben genießen, dann Kinder bekommen.
Nun war ich mit meiner Ausbildung ziemlich lange beschäftigt. Mit Anfang dreißig fing ich gerade meine Dissertation an. Kinder wollte ich schon, irgendwann. Aber wann? Der Liebste und ich zogen zusammen, heirateten und die Uhr tickte. Irgendwann ließen wir die Verhütung weg. Wenn es passiert, passiert es.
Es dauerte ein halbes Jahr bis es passierte. Die Diss lag in den letzten Zügen. Bei der Abgabe gab es zwei Gewissheiten: 1. Wir bekommen ein Baby! Und 2. Die Jobsuche kann ich erst einmal vergessen. Wer stellt schon eine schwangere Geisteswissenschaftlerin ein?! Überraschender Weise machte mir das in der Schwangerschaft wenig aus. Ich probierte ein paar Sachen aus, versuchte die Diss zu veröffentlichen und war ansonsten froh, mich mal ausruhen zu dürfen. Natürlich: Kein Einkommen während der Schwangerschaft bedeutete völlige finanzielle Abhängigkeit vom Ehemann. Meine Feministinnen-Seele krümmte sich.
Dann war der Punkt da, alles war wunderbar. Wir waren glücklich in der Babyblase und brauchten nichts weiter. Ein paar Monate später nagte es in mir: ich wollte endlich anfangen zu arbeiten. Endlich wieder meinen Kopf gebrauchen, endlich (wieder) Geld verdienen. Gesagt getan. Während der Elternzeit einmal die Woche, danach eben Vollzeit (oder was so Vollzeit ist mit einem Kleinkind). Schreiben. Für Online Magazine, Zeitungen, einen wissenschaftlichen Aufsatz und Buch-Exposés für Verlage. Einkommen seither – ein bisschen was, aber leider nicht der Rede wert.
Mittlerweile ist der Punkt 19 Monate alt. Und es stellt sich die Frage, wie es mit der Familie weitergehen soll. Eigentlich sollte der Punkt nicht als Einzelkind aufwachsen. Eigentlich wollten wir einen Gleichstand schaffen zwischen Erwachsenen und Kindern. Eigentlich wollten wir ihm diese besondere Beziehung zu einer Schwester oder einem Bruder nicht vorenthalten. Eigentlich wollten wir den Punkt nicht ganz alleine zurücklassen, wenn wir mal nicht mehr sind.
Aber.
Eigentlich wollten wir uns die Kinderbetreuung und das Erwerbsleben fifty/fifty teilen. Eigentlich dachte ich, dass sich die Mühe von Studium und Diss irgendwann auszahlen und ich einen gleichwertigen Beitrag zum Familieneinkommen leisten würde. Und eigentlich haben wir uns zu dritt doch ganz gut eingerichtet.
Die Entscheidung ein zweites Kind zu bekommen (oder eben nicht), ist für uns wieder genauso schwer, wie die Frage überhaupt ein Kind zu bekommen. Wie ist der Alltag mit zwei Kindern zu meistern? Bedeuten zwei Kinder das endgültige Ende von persönlicher Freiheit und Partnerschaft? Werde ich mich beruflich jemals etablieren können? Und ganz aktuell: Wie sollen wir die Virenattacken von zwei Kindern überstehen?
Seit der Punkt bei uns ist, war ich fest davon überzeugt, dass wir noch ein Kind kriegen sollten. Die Familie schien mir noch nicht vollständig. Aber jetzt, wo es konkret werden müsste, da kommen auch die Zweifel zurück. Der Gedanke, den Menschen, der da noch kommen würde, nicht kennenzulernen macht mich traurig. Aber die Vorstellung, mein Leben ohne Beruf und in wirtschaftlicher Abhängigkeit zu verbringen, macht mich auch unglücklich.
Bild: John Thomas
Ich fand’s mit einem Kind bedeutend einfacher, meine beruflichen Sachen zu peilen. Zwei Kinder lassen sich schwerer an den elterlichen Lebensplan- und Rhytmus anpassen als eines, das man leichter mal wohin mitnehmen oder auch mal über Nacht den Großeltern oder Freunden aufs Auge drücken kann. Andererseits finde ich es wirklich schön, dass die Kinder zu zweit mehr ihre eigene Kinderwelt aufbauen und ausleben können. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte mir noch zwei weitere Kinder leisten (vier scheint mir eine gute Zahl), aber es ist völlig klar, dass das mit meinen beruflichen Plänen überhaupt nicht realisierbar ist.
Kommt mir seeeehr vertraut vor. Zu Hause ist es doch recht unintellektuell, dafür anstrengend… Im Klartext: Langweilig, keine Bestätigung, keine vernünftigen Unterhaltungen mit Denkanstößen, kein eigenes Geld, die Kinderbetreuung ist eben nicht 50/50, weil Mann ja arbeiten muss wegen des Geldes, aber nicht nur. Dafür viel Wäsche und viel Dreck und so… ABER ich hoffe, wenn beide wirklich wollen, dass sich das nicht auf Dauer so etabliert, lässt sich das ändern. UND jede Zeit braucht Zugeständnisse und veränderte Bedingungen. Wichtig ist, ob beide Erwachsenen mitziehen. Wenn ja, dann ran ans zweite Kind. Wenn vielleicht, dann – ich weiß auch nicht.
Unser Langzeitziel ist es, dass beide 80% arbeiten können. Vielleicht ist es schon in nem Jahr so weit. Man muss sich trauen, oder es so lassen, wie es ist. Ich sortier die zu kleinen Kleider aus und weiß einfach, dass noch nicht Schluss ist, dass ich die Kisten noch mal rauskamen werde – beim nächsten Kind.
Ob man es im Beruf und zu Hause packt hängt an beiden Eltern. Wollen sie in die gleiche Richtung, oder merkt einer, dass er eigentlich doch was anderes will? Da muss man schon ehrlich sein. Und man muss auch einfach mal realistisch anschauen, was man sich selbst zutraut und was nicht.
Ich hätte viel zu dem Thema zu sagen. Vor allem: Es kommt eh anders, als man denkt.
Ganz schwierige Entscheidungen, die da anstehen. Denn immer wieder kommt ja der Gedanke auf, dass man nur ein Leben hat, und wie man die verschiedenen Überzeugungen (“Ich will noch mindestens ein Kind, am liebsten bald” vs. “ich will durch meine Arbeit finanziell gleichberechtigt zum Familieneinkommen beitragen”) zusammenbringen kann. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass wir weder ewig leben noch ewig Kinder bekommen können – noch realistischerweise ewig damit rechnen können, gut in den Arbeitsmarkt einsteigen zu können.
Und jede Entscheidung hat ihre Vor- und Nachteile. Bei mir: Kind bekommen, sobald ich den ersten Job hatte (12 Monate nach Arbeitstaufnahme wurde er geboren) – bin ich nach 5 Monaten zurückgekommen und habe viele, viele Jahre dort gearbeitet. Alle weiteren Kinder beim selben Arbeitgeber bekommen, weil es sich dort so gut einrichten ließ: Anspruchsvolle Arbeit, gutes Einkommen und großes Entgegenkommen bei Arbeitszeitmodellen. Außerdem einen flexiblen Mann im Rücken, der absolut gleichberechtigt oder sogar stärker als ich in die Familienarbeit involviert ist.
Vorteile: Geld, Sicherheit. Nachteile: Arbeiten mit zwei bis drei Kindern (kurzzeitig sogar wieder Vollzeit) war für mich psychisch fordernd. Und jetzt, wo die Kleinste bald vier wird, regt sich Aufbruchstimmung: Was anderes machen, was mir inhaltlich mehr liegt. Für mich war diese Reihenfolge in Ordnung, weil mir offensichtlich materielle Sicherheit sehr wichtig ist (auch wenn ich immer gesagt hätte, “Geld ist doch nicht so wichtig”, tja, so irrt man sich). Ich hätte ohne eigenes Einkommen (mein Mann hatte zu der Zeit auch kein wirkliches) gar kein Kind bekommen wollen. Andererseits war uns, durch Umstände, sehr früh klar, DASS wir unbedingt Kinder haben wollen – mit einem anderen Mann hätte das vermutlich anders ausgesehen und dann hätte ich mich auch nicht so “früh” (in Akademiker-Jahren) dafür entschieden, denke ich.
Wir haben jetzt zwei Kinder und langsam fange ich an die Babysachen wegzuräumen. Aber was damit tun? Verkaufen oder doch noch eine Weile behalten, obwohl wir den Platz wirklich brauchen könnten? Die Entscheidung ist genauso schwierig wie nach dem ersten Kind und ich weiß wirklich nicht, ob es nun bei zweien bleiben soll oder ob da nicht noch jemand fehlt.
Und dann kommt das große Aber: ich bin sehr viel allein mit den Kindern, also liegt der Hauptteil der Familienarbeit bei mir. Wir würden uns das alles gern besser aufteilen, aber es geht derzeit noch nicht. Ich bin kurz vor der ersten Schwangerschaft mit der Ausbildung fertig geworden, es gibt also keinen Job, in den ich zurückkehren könnte, und etwas in Selbständigkeit aufzubauen ist neben zwei so Winzlingen ziemlich schwierig. Ich versuche es trotzdem, weil ich auf lange Sicht nicht in dieser finanziellen Abhängigkeit leben will. Ein drittes Kind wäre daher erst in ein paar Jahren vernünftig, wenn Kind 1 und 2 in Schule und Kindergarten gehen, schöner fände ich es aber, wenn es bald käme. Ich bezweifle auch, dass ich ein drittes haben will, wenn es beruflich erst mal gut läuft. Jetzt oder nie, sagt mein Gefühl, aber ich habe kaum eine Stunde am Tag für mich selbst und wir versinken teilweise im Duplo-Kleider-Geschirr-Chaos, wenn mein Mann nicht da ist…kurz und bündig: die Vernunft sagt Nein, aber das Herz sagt Ja und ich bin erst wieder unschlüssig.