von Cornelia
Angst, Ärger, Wut, Traurigkeit, Verzweiflung … es ist mir wichtig, dass mein Kind (2,5 Jahre) diese Gefühle – ebenso wie die positiven Pendants dazu – einordnen kann, wenn es sie erlebt. Ich habe gemerkt, es tut ihm gut, wenn es etwa Angst hat (vor nicht zuordenbaren Geräuschen zum Beispiel) und dies als Gefühl artikulieren kann – und es tut mir gut, weil wir dann darüber reden können.
Ich empfinde diese Gefühle natürlich ebenso.
Wenn ich Angst habe – diese irrationale vor dem Tatort-Mörder im Vorraum –, dann ist das Kind schon im Bett. Oder diese große unspezifische Angst vor der Zukunft, dann auch. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass ich nicht möchte, dass das Kind meine Angst mit-fühlt. Diese Art von Angst zumindest nicht. Die kleinen Alltagsängste ihm gegenüber teile ich gerne mit. Wenn es nach dem spitzen Messer greift, dann sag ich ihm, dass es das bitte lassen soll, weil ich Angst hätte, dass es sich damit verletzt.
Wenn ich mich ärgere, dann tu ich das auch vor dem Kind. Ärgern ist so innerlich und wenn ich mich Erwachsenen mitteile, dann ist es meistens ein monologisches Lamentieren oder Sich-von-der-Seele-Reden. Wenn ich mich ärgere und zum Kind sage “Ich ärgere mich so”, dann tut mir das gut, weil es befreiend, fast kathartisch wirkt, es in dieser (vermeintlich) lapidaren Verknappung zu formulieren. Ich weiß nicht genau warum, aber in diesem Moment relativiert sich das meiste.
Wenn ich wütend bin, dann tue ich mir schon schwerer, diese Wut vor dem Kind zu zeigen. Die Wut von anderen kann Angst machen und ich möchte ihm keine Angst machen. Ich versuche im Stillen wütend zu sein, schreie unbemerkt in einen Polster oder werfe ein Ding in ein Eck in einem anderen Raum. Das ist ein für mich gangbarer Weg.
Wenn ich aber traurig bin oder verzweifelt, dann ist meistens auch keine Kraft da, einen besonderen Weg zu finden, diese Gefühle “kindgerecht” auszuleben. Dann weine ich und das Kind ist bestenfalls irritiert. Ich versuche zu erklären, warum ich mich so fühle. Und sage ihm, dass es keine Schuld trägt.
Manchmal bin ich auch wütend, traurig und/oder verzweifelt wegen des Kindes. Weil die Alltagsroutine aus irgendeinem Grund eskaliert ist – das Bettgehen zur stundenlangen Quälerei für beide geworden ist zum Beispiel, das Kind erst nicht schlafen will, dann nicht kann, weil es aus dem Bett klettert, mich ignoriert, zu Spielen beginnt oder aus dem Zimmer läuft, weil es macht, was es will, und nicht, was ich will, weil mich das gerade an Abenden, an denen ich so sehr auf diese späte Alleinsamkeit hingefiebert habe, erst wütend und dann eben verzweifelt werden lässt. Das sind Ausnahmefälle – aber sie passieren. Und es geht mir nicht gut dabei. Dann weine oder fluche ich und sage Dinge wie “Ich ertrage das so nicht” oder “Ich halte das nicht aus” oder “Mach doch, was du willst und ich mach, was ich will” (inklusive Raum-Verlassen). Wir finden in solchen Situationen meist auch bald wieder zusammen, ich entschuldige mich und nehme das dann doch meist verstörte Kind auf den Arm.
Das sind dann diese Situationen, in denen ich weiß: So sollte es nicht sein. So hätte es nicht ablaufen dürfen. Das ist bestimmt ganz ganz schlecht für die emotionale und psychische Ausgeglichenheit des Kindes. Ich hab keinen Weg gefunden, wie es besser sein könnte – außer das Erklären im Nachhinein, das Liebe-Zeigen und Gernhaben. Das fühlt sich trotzdem nicht befriedigend oder nach Best-Practice-Version an. Eine solche hätte ich aber gerne. Wo oder wie rechtzeitig abbiegen?
Jede_r ist so individuell, jede Eltern-Kind-Beziehung ist es. Aber gibt es dennoch einen Rahmen, der nicht verlassen werden sollte? Gibt es absolute Don’ts und wie kann man verhindern, dass sie passieren? Und wie sollte reagiert werden, wenn sie passieren? Was können Eltern-Emotionen beim Kind auslösen? Und welche Rolle spielt das Miterleben von Elterngefühlen beim Entwickeln der eigenen emotionalen Kompetenz? Wie viel können Kleinkinder ungefiltert ver/ertragen bzw. was sollten Eltern ihr Kind nicht regelmäßig miterleben lassen? Gibt es dafür überhaupt so etwas wie eine Faustregel?
Wer eine Erfahrung zum Teilen oder einen Ratschlag hat, ein Buch oder einen Trick kennt, um mit dem beschriebenen Problem umzugehen, die_der melde sich bitte in den Kommentaren. In 14 Tagen findet sich an dieser Stelle der Ratschlag einer Expertin.
Ich find’s prinzipiell ok und sogar richtig, dass Eltern ihre Gefühle auch gegenüber ihren Kleinkindern zeigen. Aus folgenden Gründen: 1. Es scheint doch eine wichtige Einsicht für kleine Kinder, dass Menschen auf bestimmte Dinge mit bestimmten Gefühlen reagieren, dass auch Erwachsene Angst haben, traurig oder wütend sein können. Vielleicht hilft ihnen die Erkenntnis, dass es ihren Eltern manchmal nicht anders geht, auch mit ihren eigenen Gefühlen. 2. Wir als Eltern sind eben Menschen mit Gefühlen und müssen manchmal mit Dingen zurechtkommen, die uns ängstlich, wütend, traurig machen. Ich finde, wir haben das Recht auf diese Gefühle und sind nicht verpflichtet, sie in uns reinzufressen. 3. Wenn es zwischen Elt(ern) und Kind(ern) Streit über etwas gibt, die einen die anderen ängstlich, wütend, traurig machen, dann sollte es für beide Seiten ok sein, das auch mal rauszulassen. Das Kind sollte in so einer Situation den Freiraum haben, zu sagen oder zu zeigen, mir reicht’s jetzt mit dir. Und dasselbe gilt für die Eltern. Kinder müssen lernen, dass sie mit manchen Dingen, die sie tun, ihre Eltern in bestimmten Situationen treffen können. So im Rahmen dessen, dass sie insgesamt lernen müssen, dass bestimmte ihrer Handlungen (unangenehme) Konsequenzen für andere Menschen haben.
Deshalb finde ich es auch ok, wenn du in der geschilderten Situation dem Kind sagst, dass du das so nicht erträgst. Wichtig finde ich insgesamt, sich nach einem Streit wieder zu versöhnen, und dass dem Kind nicht in der Konfliktsituation das Gefühl gegeben wird, dass man/frau es insgesamt doof und unerträglich findet. Dass dem Kind nicht konstant unverdaut eigene Ängste, Frustrationen u.ä. vorgesetzt werden, die es gar nicht einordnen kann. Es gibt sicher Lebenssituationen der Eltern (z.B. Arbeitslosigkeit mit massiven Geldsorgen), in denen es ihnen fast unmöglich wird, das Kind nicht mit ihren eigenen existenziellen Ängsten, Frustrationen, Wut zu belasten. An dem Punkt habe ich keine guten Ratschläge mehr, denn ich finde es geradezu eine übermenschliche Erwartung, solche grundlegenden und länger andauernden Ängste im Zusammensein mit den Kindern konstant zurückzuhalten.
Ich kann hier am besten aus Sicht des Kindes etwas schreiben. Ich bin in einer sehr reservierten Atmosphäre aufgewachsen, in der ich die Gefühle, Gedanken und Erinnerungen meiner Mutter nicht mitgeteilt bekommen habe – nur im Extremfall, wenn es explodiert ist. Die Irritation, Trauer, Scham und Wut darüber reichen für mein ganzes Leben.
liebe pitz, danke für diese perspektive …ein benanntes gefühl irritiert mich. scham? über die gefühle der mutter oder ihr unvermögen sie zu zeigen?
nein, über mein eigenes benehmen, dass vor diesem hintergrund auch nicht nett war.
Ich finde diesen Beitrag sehr mutig und danke Dir für Deine Offenheit. Mir geht es ähnlich was das Zeigen von Emotionen angeht. Und meine Unsicherheit was besonders das Zeigen von Hilflosigkeit und Wut angeht ist ziemlich groß. Das Einzige was ich raten kann, ist, mit dem Kind über daneben geratene Reaktionen sprechen und sich gegebenenfalls entschuldigen.
ich teile deine Einschätzungin großen teieln. ich finde aber auch als mutter darf mensch authentisch sein, sollte es sogar. und verdammt nochmal manchmal is halt alles zu viel und scheiße und dann darf ich michbauch mal unangemessen verhalten ohne gleich ein sxhlechtes gewissen zu haben.
und ganz wichtigvauch darüber reden und auch dem kind solche gefühle und verhaltensweisen zugestehen..
[…] zwei Wochen hat sich Cornelia hier gefragt, wie viele oder wie wenige Gefühle, vor allem wenn es um negative geht, Kindern gegenüber […]