Vor zwei Wochen stellte unsere Autorin Katja im Beitrag “Krippenblues” die Frage, wie sie mit der kaum vorhandenen Gendersensibilität in Krippen umgehen soll und doch noch die richtige Einrichtung für ihr Kind finden kann. Philipp Leeb, Obmann des Vereins Poika, hat uns seine Antwort auf diese Problematik geschrieben.
Vorweg: wir können und sollten unsere Kinder nicht vor etwas bewahren, sondern sie gut im Rahmen unserer Möglichkeiten begleiten. Wenn wir sie ständig schützen, nehmen wir ihnen die Möglichkeit einer eigenen Meinung. Und wir steigen in den Wettbewerb der “Guten” und “Bösen” ein. Das erzeugt bei uns oftmals Ohnmachtsgefühle und nicht selten Wut. Das spüren Kinder und verunsichert sie. Wir können ihnen Sicherheit und Selbstbestimmung mitgeben vermischt mit unserer Meinung. Wenn wir etwas ablehnen, kann das Kind entscheiden, ob es das auch tun möchte. Wenn wir den Kindern eine Meinung aufzwingen, unterstützen wir sie nicht.
Jedoch: die Erwachsenen, die mit unseren Kindern arbeiten und das professionell tun sollten, sind einer Geschlechtergerechtigkeit verpflichtet. In der Elementarpädagogik ist das sowieso einer der Bausteine für die Begleitung der kindlichen Entwicklung. Menschen, die im pädagogischen Feld arbeiten, wird in ihren Ausbildungen eine Wertschätzung gegenüber dem Kind vermittelt. Leider kaum aus gendersensiblen Gesichtspunkten. Erst in der Fort- und Weiterbildung wird spezifischer (weil “modern”) auf das Geschlechterthema eingegangen. Oftmals aus akademischer Sicht, nicht an der Entwicklung der Kinder orientiert. Aber wir können unsere Bedürfnisse für unser Kind formulieren und mitteilen, in dem Wissen, dass nicht wir sondern unser Kind in den Kindergarten geht. Impulse an die Pädagog_innen können gendersensible Bücher und Spiele als Geschenke an die Einrichtung sein. In Gesprächen können sanfte Anmerkungen sinnvoller als politische Diskussionen sein. Es können auch Angebote von außen vorgeschlagen werden. Ein_e eingeladene Expert_in kann am Elternabend über gendersensibles Arbeiten informieren.
Die Begegnung mit dem Geschlecht beginnt bei den Kindern schon mit der immer wiederkehrenden allerersten Frage nach Mädchen oder Bub, ungeachtet der Möglichkeit vieler anderen Faktoren allen voran die Intersexualität (im Übrigen seit Kurzem auch in Deutschland gesetzlich verankert: “wenn ein Kind weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden kann, die Angabe in das Geburtenregister weggelassen wird”.). Was würden nun Pädagog_innen machen, wenn sie ein intersexuelles Kind in der Gruppe haben? Das Wesen eines Menschen ist asexuell, erst unser Begehren und unser Blick schaffen Zuschreibungen. Wenn Kinder mit einem gendersensiblen Selbstverständnis aufwachsen, haben sie schon viel mehr gelernt als unsere Generation.
Wir lernen sie dieses Selbstverständnis? Durch eine offene Haltung der erwachsenen Personen, die mit ihnen leben und arbeiten und natürlich durch die Meinung anderer gleichaltrigen Kinder. Durch sprachliche Sensibilität, die sich nicht auf die reine Nennung von (zwei) Geschlechtern reduzieren sollte. Die Welt besteht nicht nur aus braven Prinzessinnen und mutigen Cowboys. Nur ein bisschen.
Durch ausreichende Auswahl beim Spielangebot, in der Kinderbuchliteratur und den Bildern, die sie umgeben. Durch das Kennenlernen vieler Menschen aus vielen Kontexten. Durch Bewegungen in unserer Welt. Durch reflektierte Medien.
Nicht die Informationen stärken unsere Kinder, sondern die Wertschätzung ihnen selbst gegenüber. Durch ein offenes Ohr, einen liebevollen Blick und Grenzen, die wir auch leben wollen.
Mehr vertiefende Informationen findet ihr auf Gender + Bildung und natürlich auf unserer poika-Website.
Empfehlenswert zum Weiterlesen ist auch Gender Loops – Praxisbuch für eine genderbewusste und -gerechte Kindertageseinrichtung.
Vielen Dank für diesen Expertenrat und die tollen Linktipps. Als Feministin, Sozialarbeiterin und Mutter dreier Söhne werde ich ständig in unterschiedlichen Zusammenhängen mit dem Thema konfrontiert.
Vo ein paar Jahren habe ich an einer Kita ein Genderprojekt durchgeführt. Leider war es nicht sehr nachhaltig, da das Thema kaum Unterstützung im Team fand und das obwohl es (fast) allen einleuchtete. Es fehlt oft an der Gendersensibilität udn dem nötigen Wissen. Leider.