#rassistischeBibi oder: Das feuerrote Nashhorn, ein Kolonialmärchen

von Maria
Dieser Text ist eigentlich schon längst überfällig und sollte ursprünglich auf meinem eigenen Blog veröffentlicht werden, ich bin froh, dass jetzt hier nachholen zu können.
“Guck mal Mama vielleicht ist das ja gut.”
Ich habe schon an anderer Stelle über den Mangel an Schwarzen/ PoC Protagonist_innen in Kinderbüchern geschrieben. Da ich das meiste von dem was es gibt bereits kenne war ich etwas erstaunt als das Kind Ende Oktober mit einem mir unbekannten Buch aus der Bücherei kam und es mir unter die Nase hielt. Auf dem Titel war Bibi Blocksberg mit einem Schwarzen Kind abgebildet. Nun ist ja an Bibi selbst schon einiges zu kritisieren aber vor allem die Darstellung des Jungen machte mich skeptisch. Beim Überfliegen des Inhalts auf dem Buchrücken fing der Klumpen in meinem Magen dann auch schnell an zu wachsen: Bibi, Afrika, Medizinmann, Urwaldprinzessin… Ich legte das Buch zur Seite.
“Oh je ich glaube das ist ganz schlimm mein Schatz.“
Am selben Abend schaute ich mir das Buch genauer an. Der Klumpen in meinem Magen wurde so groß, dass er schmerzte, ich war wütend.
Das 1998 (!) erschienene und immer noch im Handel erhältliche Buch, sowie das Hörspiel (ich habe extra nachgeschaut, weil ich es nicht glauben konnte) ist von vorne bis hinten voller stereotyper und kolonialromantischer Bilder von der Vorherrschaft weißer über Schwarze Menschen auf dem Niveau von Pipi Langstrumpf. Hier nur einige Stichpunkte:
Bibi fliegt mit ihrer Mutter nach Afrika, welches Land genau wird nicht benannt und somit der ganze, sehr diverse Kontinent wieder einmal reduziert auf Tiere, Hexerei und primitive Einwohner_innen/ Wilde.
Das wird sowohl an den traditionell rassistischen Zeichnungen der Schwarzen Menschen deutlich (dicke Lippen, große Augen etc.) wie auch an der Tatsache, dass die Figuren im Gegensatz zu der weißen Bibi nur gebrochen Deutsch sprechen (erstaunlich, dass sie überhaupt Deutsch sprechen) und sich ihre Muttersprache auf etwas wie Umba Umba beschränkt.
Die Schwarzen Menschen werden als dumm und den weißen Menschen untertänig dargestellt. Der Junge auf dem Titel heißt Bubu und ist der „Hotelboy“.
Bibi wird als weiße Retterin dargestellt, die Schwarzen Menschen können sich nicht selbst helfen.
Bibi und ihre Mutter werden nur als „weiße Frau und weißes Mädchen“ angesprochen.
Einer der rassistischen Höhepunkte ist, wenn sich Bubu vor Bibi auf die Knie wirft, sie dann auch noch Prinzessin wird und von den Schwarzen Menschen auf einer Sänfte durch den Dschungel getragen wird.
Auch das Bild des gefährlichen Schwarzen Mannes, der das weiße Mädchen bedroht darf nicht fehlen und wird durch die Rolle des Medizinmannes bedient.
Ich bin immer noch wütend. Ich habe eigentlich seit Anfang der Kinderbuchdebatte nicht aufgehört wütend zu sein und jedes Mal wenn ich einen Buchladen betrete kocht es wieder hoch. Nicht nur, dass es keine Figuren gibt mit denen sich Schwarze Kinder/ Kinder of Color identifizieren können, der Rassismus, den sie im Alltag erfahren, wird durch die Bücher weitergegeben. Nicht immer ist er so krass und offensichtlich wie in diesem Buch, doch die Rollenverteilung ist in den meisten Fällen klar. Weiße Kinder werden gestärkt in dem Kinder of Color klein oder unsichtbar gemacht werden. Einfach so. Nebenbei. Während sie ihre Abenteuer erleben. So wie Bibi Blocksberg. Wird Zeit, dass sich das ändert. Deshalb, bitte, zuklappen:
Theo Schwartz nach Ulli Herzog, Bibi Blocksberg. Das feuerrote Nashorn, München 1998 (Egmont Schneiderbuch Verlag)
 Epilog: 
Ich habe inzwischen mit der Bibliothekarin gesprochen und ihr das Problem zusammengefasst. Sie wollte sich darum kümmern, dass das Buch aus der Bibliothek entfernt wird und es auch an andere Bezirke weitergeben. Leider kann ich im Moment nicht sagen, was daraus geworden ist. Schlage aber vor, dass, wer Zeit und Kraft hat, sich auch an die Verlage wenden sollte.
Hier kann mensch z.B. eine Frage zum Hörbuch stellen kiddinx-shop.de/question/index…
und hier ist der Kontakt vom Buchverlag http://www.schneiderbuch.de/service/kontakt/

22 Replies to “#rassistischeBibi oder: Das feuerrote Nashhorn, ein Kolonialmärchen”

  1. viel öfter beschwerde einlegen, ja. das würde ich mir von mir selber wünschen. wie oft habe ich ein kinderbuch in der hand und bin voller ärger, aber trage den dann einfach mit mir heim. nichts unversucht lassen (im rahmen der eigenen möglichkeiten) – wobei ich mir da bei den verlagen keine großen hoffnungen mache, doch bei kleineren buchhandlungen könnte ich mir tatsächlich vorstellen, dass so appelle etwas bewirken können. gibts solche erfolgserlebnisse? wäre schön, wenn eine_r vielleicht hier in den kommentaren davon berichten könnte (so als mut-machen und motivieren für andere)..

  2. […] Gastbeitrag von Maria, ursprünglich veröffentlicht bei umstandslos.com – Magazin für feministische Mutterschaft […]

  3. doch, es gibt erfolge, berümt gewordene erfolge wie mekonnen bei der kleinen hexe, oder kleine. mir hat grade paul maar geantwortet, mit einem nachdenklichen brief, nach dem ich ihn zu “Neben mir ist noch Platz” angeschrieben hatte. mal sehn, was draus wird….. lieben gruss annette

  4. Mekonnen sagt:

    Vielen Dank für die hervorragende Zusammenfassung des Buches. Deine Wut kann ich gut nachempfinden. Wir müssen nur die Wut in Energie und Tat umwandeln. Wenn mehrere Menschen handeln, ist für die/den EinzelneN dann nicht viel. Auch wenn immer noch viel Grauenvolles im Umlauf ist, wird vieles nicht mehr so sein, wie es war. Die Aktion von Annette mit Paul Maar zeigt, dass Autor/innen sich entscheiden können: entweder nachdenklich zu sein oder ertappt um sich zu schlagen. So oder so: Auf ihre/seine kolonial-rassistische Mentalität ausruhen kann sich keine/r mehr. Das ganze Gebaren ist ziemlich angekratzt worden.

  5. Eva sagt:

    Meine Stadtbibliothek hat das Buch auch. Ich verspreche, dass ich mich beim nächsten Besuch beschweren werde.
    Insgesamt bin ich pessimistisch, was eine grundlegende Änderung der Einstellungen (in Deutschland, in näherer Zukunft) gegenüber rassistischen Kinderbüchern angeht. Als der Fall der kleinen Hexe im vorletzten (?) Jahr durch die Feuilletons ging, hatte ich nicht den Eindruck, dass eine Veränderung der Mehrheitsmeinung stattgefunden hat. Ich glaube bei sehr vielen Menschen in Deutschland nicht, dass sie wirklich verstanden haben/nachempfinden konnten, was rassistische Ausdrücke oder Inhalte in Kinderbüchern für die betroffenen Kinder bedeuten können. Erst recht nicht, dass sie nachvollziehen können, dass das Fehlen von Kindern of color in Kinderbüchern ein Problem sein könnte. Z.B. hatte die eher linksalternative Krippe meiner Tochter ein übel bebildertes “10 kleine N.“[red. verändert]-Buch im Umlauf. Später in ihrem Kindergarten stieß mein Hinweis, dass “Schokokuss” doch ein besseres Wort für Schokoküsse ist, bei der Erzieherin auf ehrliches Unverständnis.

  6. umstandslos sagt:

    Wir haben den Schneiderbuchverlag aufgefordert, das Buch aus seinem Programm zu nehmen und die Info bekommen, dass das bereits vor einiger Zeit geschehen ist. Es wird nicht mehr ausgeliefert und auch nicht nachgedruckt. Gilt es also “nur” noch, die Exemplare in den Bibliotheken und sonstigen Bücherschränken zu entsorgen.

  7. maria3ks sagt:

    Liebe alle, vielen Dank für eure Kommentare.
    Ich bin zur Zeit auch eher pessimistisch eingestellt, es ist noch ein langer Weg, aber gerade deshalb sollten wir nicht aufhören uns bemerkbar zu machen. Ob es nun heißt den Verlag anzuschreiben oder eine Amazon Rezension zu verfassen, einen Blogtext oder mit der Bibliothek zu sprechen.. ich denke das hängt auch immer davon ab wieviel Kraft und Zeit und Kapazität eins selber gerade hat. Für manche ist es vielleicht auch besser sich auf die positiven Bücher zu konzentrieren. Denn es ist eine Sache den Rassismus aufzuzeigen, gleichzeitig brauchen aber auch die nicht-normativen tollen Medien, die es gibt mehr Aufmerksamkeit um zu zeigen, dass es auch anders geht.

  8. Krafthexe sagt:

    Ich finde, wir sollten den Tatsachen ins Auge sehen: Bücher wie diese sind keine Zufälle, sie sind keine Unachtsamkeit. Es sind gezielte Bestrebungen der HERRschenden Klasse, rassistische, xenophobe und sexistische Stereotypen bereits im Kindesalter zu mannifestieren. Es geht um die Zementierung von Privilegien, um das Einprägen von Denkschablonen. Ein Protest beim Verlag wird nicht viel bringen. Mann wird vielleicht dieses eine Machwerk leise verschwinden lassen, nur um andere beizubehalten oder sogar neu auf den Markt zu bringen. Unser Kampf muss an die Öffentlichkeit, muss bildhafter werden. Schund wie dieser gehört nicht heimlich aus dem Programm genommen, er gehört öffentlich geächtet, er gehört verbrannt. Ja, ich weiß, das ist historisch nicht ganz unumstritten, aber es ist an uns, dieser Aktion wieder ein positives, ein befreiendes Bild zu geben, zu zeigen, dass die Mannipulation ein Ende hat, dass wir verhindern werden, dass unsere Kinder zu Werkzeugen der Unterdrückung werden. Lasst uns das Dunkel und die Kälte, die so schreckliche Dinge wie Bibi Blocksberg unsere Herzen bringen wollen, in Helligkeit und Wärme verwandeln.

    • Eva sagt:

      Ich kann deine Wut verstehen. Aber Bücherverbrennungen sind keine Option, finde ich. Erstens sind solche Handlungen unwiederbringlich historisch vorbelastet und würden – ob gewollt oder nicht – eine entsprechende Botschaft senden. Zweitens ist auch die Freiheit der Rede ein wertvolles Recht (das dazu da ist, gerade diejenigen zu schützen, mit denen wir nicht übereinstimmen, sogar dann, wenn sie Schund produzieren). Dieses Recht sollten wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.
      Daher scheint mir weiterhin bürgerschaftliches Engagement der bessere Weg: Mit den Verlagen, Buchhandlungen, Bibliotheken sprechen, damit die Multiplikator_innen dort die entsprechenden Werke aus den Regalen und Verlagsprogrammen nehmen.

  9. Ortrud sagt:

    Krafthexe, ich denke schon, dass Proteste etwas bringen. Zwar nicht so viel wie gewollt, doch es gibt sie, die (kleinen Erfolge), wie Mekonnen und Annette schrieben.
    Bitte überdenke, in welcher Weise Du die Negativ-Positiv-Gegenüberstellung von hell=gut und dunkel=schlecht verwendest. Auch sie stammt aus HERRschaftlichem Denken.

  10. Empört sagt:

    “Bücher verbrennen”??!?!? Krafthexe, [red. gelöscht; bitte keine Beleidigungen in den Kommentaren]

  11. pitz sagt:

    Ich finde die Idee, Bücherverbrennungen wieder ein positives Image verpassen zu wollen, auch mehr als daneben. Und das ist sehr freundlich und distanziert ausgedrückt. Außerdem hat sich Maria explizit auf dieses eine Bibi-Blocksberg-Buch bezogen und nicht das ganze Bibi-Fass aufgemacht. Eines noch: der ganzen Debatte würde es guttun, wenn sie weniger mit Herzen und Bildern geführt würde. @krafthexe

  12. Eva sagt:

    Stellt euch vor, meine Stadtbibliothek hat das Buch auf meine Anfrage hin aus dem Programm genommen!

  13. […] jetzt dazu keinerlei Zahlen gefunden.  Ich habe zuletzt bei umstandslos einen Text zu einem rassistischen Bibi Blocksberg Buch geschrieben und die Heinrich Böll Stiftung hat ein schönes Dossier zum Thema vorurteilsbewusste […]

  14. […] um angemessene Sprache in der Kleinen Hexe losging. Kommentare hierzu gab es zum Beispiel bei umstandslos oder der mädchenmannschaft. Ich war und bin der Meinung, dass Kinder ziemlich gut abstrahieren […]

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